Am Sonntag, dem 08.07.2018, stand für mich das erste Radrennen der Saison auf dem Programm – und nicht nur das: Es war zudem der erste Wettkampf mit meinem eigenen Tandem!
Mit dem Tandem im Gepäck fuhren mein sehender Tandempilot Tobias Wolfsteiner, mit dem ich jede meiner bisherigen Rennteilnahmen bestritten hatte, und ich mit dem Auto nach Thalfang, einem kleinen Ort im Hunsrück in Rheinland-Pfalz. Dort angekommen, holten wir die Startunterlagen ab, zogen unsere Rennklamotten, bestehend aus einer Radhose und einem Radtrikot, an, checkten unsere Werkzeugbox sowie unsere Energienahrungs- und Getränkevorräte auf Vollständigkeit ab, begutachteten auf einem Streckenplan den Streckenverlauf und das Höhenprofil, luden das Tandem aus, befestigten die Startnummer daran, wärmten uns auf und platzierten uns rund zehn Minuten vor Wettkampfbeginn in der Startaufstellung. Dort trafen wir zufälligerweise das einzige weitere Tandem, welches in unserer Wettkampfklasse startete – und um Punkt 12.00 Uhr hallte der Startschuss über das Gelände.
Rund 240 Fahrerinnen und Fahrer, die alle in unserer Wettkampfklasse starteten, mussten sich nun sortieren, wobei für uns nur das andere Tandem eine richtige Konkurrenz darstellte – und da kamen wir beim Start schon mal besser weg. Doch schon bald kamen wir an unsere Grenzen: Der Erbeskopf-Marathon, so hieß dieses Rennen, war ein Mountainbike-Rennen – und obwohl die Strecke explizit für Senioren und Jugendliche bzw. Einsteiger ausgeschrieben war, war der Kurs meines Erachtens wesentlich härter als der Odenwald Bike Marathon. Es war zwar diesmal trocken, sodass wir zumindest auf eine Schlammschlacht verzichten konnten, allerdings erwies sich das Gelände als sehr uneben mit Ästen, Wurzeln und Steinen. Ein Unterschied zum Odenwald Bike Marathon war vor allem die Tatsache, dass wir diesmal mehrfach schieben mussten. Das lag weder an der Tauglichkeit des Tandems noch an unserem Training, sondern an den Besonderheiten, die ein Tandem von Natur aus hat: Man kann nun mal keine enge 180-Grad-Kurve fahren, weil ein Tandem aufgrund seiner Länge einfach einen zu großen Wendekreis hat, und an einer besonders steilen Stelle war unser Tandem, welches ja schon von Natur aus schwerer als ein normales Mountainbike ist, mit zwei Personen darauf einfach zu schwer zum Bergauf-Fahren. Auch relativ zu Beginn, als eine ebenfalls ziemlich enge, steile und unebene Bergauffahrt bevorstand und wir noch von anderen Rädern umgeben waren, schoben wir lieber, denn beim Bergauf-Fahren ist man mit dem Tandem aufgrund des größeren Gewichts langsamer als mit dem einfachen Mountainbike und da uns das klar war, umgingen wir so gleich allen Überholmanövern. Doch das war nicht die einzige Strapaze: Plötzlich tauchte das zweite Tandem neben uns auf. Wir zogen das Tempo an und versuchten nun mit aller Kraft, dranzubleiben – doch nach einer Weile zeichnete sich ab, dass die anderen stärker waren. Vermutlich hing das plötzliche Aufkreuzen der Konkurrenz auch damit zusammen, dass es beim Schieben auf unwegsamem Gelände einen großen Unterschied macht, ob man den Weg noch sehen kann oder nicht, denn wenn nicht, braucht man ja viel mehr Anweisungen und ist allein dadurch schon ein Stück langsamer.
Das zweite Tandem war zwar weg, trotzdem sollte es keine Kaffeefahrt werden. Im Laufe der Strecke gab es zwei Berge, wobei der zweite von ihnen der Erbeskopf, der regional bekannt ist und dem Erbeskopf-Marathon seinen Namen gibt, war. Wir mobilisierten kräftemäßig alles, was wir hatten und die Anfeuerungsrufe der Zuschauer am Wegesrand spornten uns nur noch mehr an. Zwischendurch konnten wir immer wieder bei Abfahrten oder Ebenen verschnaufen, trotzdem atmeten wir erleichtert auf, als wir den Aussichtsturm des Erbeskopfs erblickten.
Kurz vor dem Ziel wurde es nochmal richtig aufregend: Auf dem letzten Kilometer sprang uns plötzlich die Kette runter und wir mussten einen kurzen Stopp einlegen, um die Sache zu beheben. Wenige Meter später sollte uns ein Problem, welches schon während des ganzen Rennens Bestand hatte, zum Verhängnis werden: Der zweite Gang funktionierte nicht zuverlässig. Das sorgte dafür, dass wir beim letzten, kurzen Anstieg einen zu schweren Gang hatten und nicht weiterkamen. Dafür erwartete uns im gleichen Moment eine Überraschung, die zumindest ich mit großer Freude wahrnahm: Die Besatzung des anderen Tandems stand genau an diesem Punkt der Strecke und erwartete uns und schob uns sogar samt Tandem über den Berg (wobei wir natürlich unser Bestes taten, um mitzuhelfen) – keine 20 Meter später, im Ziel, waren sie die ersten, die uns gratulierten. Es war schön zu sehen, wie freundschaftlich und fair Konkurrenten miteinander umgehen können bzw. dass die direkte Konkurrenz in einer schwierigen Situation für uns da war und uns assistierte, damit auch wir ins Ziel kamen. Zwar hätten wir es mit ziemlicher Sicherheit auch ohne sie geschafft, dennoch war dies eine extrem faire und großzügige Geste, die Respekt verdient hat.
So sind wir also glücklich im Ziel aufgetaucht. Als Dankeschön haben wir vom Veranstalter noch Radtrikots geschenkt bekommen – an dieser Stelle nochmal vielen Dank dafür! – und konnten uns mit Getränken abkühlen. Diesmal blieben wir aus Zeitgründen nicht mehr bis zur Siegerehrung, sondern verluden schon nach wenigen Minuten unser Tandem im Auto und machten uns auf den Heimweg.
Wie in diesem Bericht deutlich wurde, war das Rennen mit vielen Herausforderungen verbunden, jedoch habe ich einmal mehr gemerkt, wie sehr ich mich auf meinen sehenden Tandempartner verlassen kann, was ja gerade bei MTB-Rennen aufgrund der Blindheit sowie der Streckenverhältnisse elementar ist. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich glaube, wenn wir nächstes Jahr wieder mitfahren und die Strecke dann schon kennen, wird es noch besser.
- 37 km Distanz
- 830 Höhenmeter
- 2:27:51 h Fahrzeit
- 15,01 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
- 52,5 km/h Höchstgeschwindigkeit
- 2. Platz Tandemwertung
- 200. Platz overall