Abenteuer Braille – Teil 4: Was die Blindenschrift für mich bedeutet

Manche Blinden finden die Brailleschrift im Hinblick auf all die technischen Möglichkeiten, die wir Blinden heutzutage haben, nutzlos. Ich persönlich bin jedoch froh, sie benutzen zu dürfen und erachte sie auch weiterhin als sehr wichtig. Deshalb habe ich heute ein paar Beispiele gesammelt, in welchen Alltagsbereichen die Brailleschrift für mich von Bedeutung ist.

 

Beschriften von Dingen

Es gibt viele Möglichkeiten, um sich Dinge wie Gewürzdosen, CD’s oder Ähnliches zu kennzeichnen. Eine dieser Möglichkeiten ist die Beschriftung in Braille. Ich denke da an meine CD’s, die ich im Internat in der Blindenschule hatte oder an die Gewürzgläser, die in der Schulküche standen. Braille-Beschriftungen sind präzise und z. B. beim Einsatz in der Küche verhindert man dadurch, dass alternative elektronische Hilfsmittel dreckig werden.

 

Lesen im Beruf und in der Freizeit

Wenn man am Computer sitzt, ist die Verlockung groß, sich alles mit der Sprachausgabe vorlesen zu lassen – ich gebe es ehrlich zu: Auch ich mache sehr viel über die Sprachausgabe, da es häufig einfach die schnellere Methode ist. Gerade in meinem letzten Praxisabschnitt in der Ausbildung gab es aber manchmal Situationen, in denen die Braillezeile für mich aufgrund der Wiedergabe der Inhalte durch die Sprachausgabe unverzichtbar war, um optimal navigieren zu können und die für mich relevanten Inhalte wirklich zuverlässig zu erfassen. Auch in der Freizeit lese ich gerne, wenn ich dazu komme, vor allem Papierbücher. Die Kurzschrift ist dabei unerlässlich, aber wenn man sie kann, ist jedes Mal wieder ein spannendes Lese-Erlebnis garantiert! Und soll ich Euch noch ein Geheimnis verraten? Wenn ich, als ich noch jünger war, ins Bett sollte, aber doch noch gar nicht müde war, holte ich mir einfach eine schöne Geschichte in Brailleschrift und vergrub sie mitsamt meiner Finger unter meiner Bettdecke – und da ich dafür noch nicht mal Licht brauchte und mit der Zeit sehr geübt darin wurde, die Papierseiten leise umzublättern, wurde ich nur sehr selten dabei erwischt …

 

Die Blindenschrift unterwegs

Meine private Braillezeile kann auch ohne den Computer benutzt werden. Dabei werden alle Dateien auf einer SD-Karte gespeichert. Die Braillezeile ist für alle, die Blindenschrift beherrschen, ein hervorragendes Notizgerät für unterwegs. Gerade während der Prüfungsphase vor meinem Realschulabschluss sah man mich quasi täglich mit meiner Braillezeile mal übers Schulgelände laufend, mal auf einer Bank am Neckar sitzend lernen – einfach genial! Manchmal ist es auch praktisch, die Braillezeile per Bluetooth mit dem Handy zu koppeln, was ich besonders gerne mache, wenn ich längere Nachrichten oder E-Mails schreiben möchte. Für manche Taubblinden ist die Braillezeile das wichtigste Kommunikationsmittel.

 

Blindenschrift im öffentlichen Raum

Die Blindenschrift gleicht an manchen Stellen auch im öffentlichen Raum Barrieren aus. Das beste Beispiel dafür sind Medikamentenpackungen, die häufig mit Blindenschrift versehen sind. Auch wenn man sich das Treppengeländer an Bahnhöfen mal anschaut, kann man immer wieder Blindenschriftbeschriftungen, die mir Auskunft darüber geben, wohin die entsprechende Treppe führt, finden. Nicht zuletzt gibt es beispielsweise in Heidelberg auf dem Karlsplatz einen großen taktilen Plan der Kernstadt, der ebenfalls mit Blindenschrift versehen ist.

 

Ich finde die Brailleschrift auch in einer Zeit, in dem die technischen Möglichkeiten einen enormen Aufschwung erleben, extrem wichtig. Es wäre doch furchtbar, wenn blind auch gleichzeitig Analphabet bedeuten würde! Für mich ist es ein Gefühl von Frei- und Unabhängigkeit, wie sehende Menschen lesen und schreiben zu können. Dies unterstreichen auch die Statements blinder Kinder, die der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband anlässlich des Weltbrailletages am 4. Januar veröffentlicht hat:

https://www.dbsv.org/blindenschrift.html

 

Für mehr Informationen zur Popularität der Blindenschrift lege ich Euch zudem die ZuBra-Studie ans Herz. ZuBra steht für Zukunft der Brailleschrift und richtete sich an junge Menschen, die mit Blindenschrift arbeiten. Ich habe selbst daran teilgenommen und finde die Ergebnisse durchaus interessant:

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