Kategorie: Hobbys und Unternehmungen

  • Vorlesestunde zum Welttag des Glücks: Eine alte Stärke wird wiederentdeckt

    Kerstin beim Vorlesen

     

    Nach dem großen Anklang letztes Jahr lud die Stiftung Kraftnetz auch dieses Jahr zu einem Aktionstag anlässlich des Welttags des Glücks ein. So gab es am Sonntag, dem 26.03.2023 in der Kulturküche Karlsruhe wieder ein buntes Programm: Kaffee, Kuchen und frisch gebackene Waffeln, einen Informationsstand zur Bewegung „Action for happiness“, eine Verkleidungsecke, in der man in verschiedene Rollen schlüpfen konnte, ein Ständchen des neu gegründeten Kulturküchen-Chores und noch einiges mehr. Für mich war sofort klar, dass ich nach der durchweg positiven Erfahrung meiner Mitmachbühne auch wieder mit einem eigenen Angebot dabei sein wollte – doch diesmal sollte es nichts mit Musik zu tun haben.

     

    Während meiner Schullaufbahn, insbesondere während der Grundschulzeit und meiner ersten Realschuljahre, prägte vor allem das Lesen meinen Alltag. Ich habe sehr schnell lesen gelernt und konnte fortan kein Punktschriftbuch mehr liegen lassen, ohne nicht wenigstens für ein paar Zeilen meine Finger hineingesteckt zu haben. Dieses Hobby (viele sahen es als eines meiner größten Talente an) blieb meinen Lehrer*innen nicht verborgen und ich wurde zu so ziemlich jedem Vorlesewettbewerb geschickt, an dem die Schule teilnehmen wollte. Das war immer etwas besonderes für mich und die Ergebnisse waren gar nicht schlecht. Aber spätestens mit meinen ersten eigenen Liedern, mit denen ich unter Leute ging, gehörte diese einstige Leidenschaft der Vergangenheit an – bis kurz vor Weihnachten 2022. Da erzählte mir ein Kollege von einem Buch, das er gerade liest, und hatte die Idee, er könne mir ja in einer Mittagspause mal daraus vorlesen. Das war eine unheimlich schöne Erfahrung für mich und löste in mir viele Erinnerungen aus – und führte mich zu dem Entschluss: Ich will es nochmal versuchen!

    Blick in den Vorleseraum: Diverse Sessel, Sitzsäcke, Kissen und Decken - alles, was es gemütlich macht

    Und so lud ich an jenem Sonntag in der Kulturküche alle, die wollten, um 15.30 Uhr in ein uriges Eckchen ein, welches ich vorab kuschelig eingerichtet hatte. Es kamen deutlich mehr, als ich erwartet hatte, altersmäßig bunt durchmischt, das hat mich sehr überrascht und ich habe mich riesig gefreut. Passend zum Welttag des Glücks hatte ich mir eine Geschichte namens „Inga und ich machen Menschen glücklich“, eine Geschichte aus der bekannten Reihe „Wir Kinder aus Bullerbü“, von Astrid Linggren ausgesucht. Die Lehrerin hat zu Inga und Lisa gesagt, es sei wichtig, andere Menschen glücklich zu machen. Sie hat auch Tipps gegeben, wie man das anstellen kann. Aber funktionieren diese Tipps auch tatsächlich? Und schaffen die beiden Mädchen es am Ende, jemanden wirklich glücklich zu machen? Eine Geschichte, die sehr realitätsnah und authentisch die Lebenswelt von Kindern aufgreift und mir dadurch immer wieder ein Schmunzeln entlockte, eingebettet in das bekannte Örtchen Bullerbü. Mein Ziel war, eine Perspektive auf das Thema „Glück“ zu werfen, mit der sich die Kinder gut identifizieren können und die die Erwachsenen dazu animiert, das Leben einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Und was soll ich sagen? Es war für mich (und ich glaube auch für meine Zuhörer*innen) ein voller Erfolg! Ich merkte, dass trotz der vielen vorlesefreien Jahre immer noch eine gewisse Routine da war, laut vor Leuten zu lesen, bekam im Anschluss viel positives Feedback und es machte mir noch genauso viel Spaß wie früher. Der vertiefende Austausch über das Gehörte und die im Zuge dessen geteilten Denkanstöße aus der Runde bestätigten dies eindrücklich.

     

    Das gegenseitige Vorlesen (nicht in Form von Hörbüchern, sondern von Angesicht zu Angesicht) ist eine besondere Möglichkeit, anderen Menschen (nicht nur Kindern) Zeit und Zuwendung zu schenken. Dies (wieder) zu erfahren und diese alte, lange unbeachtete Stärke nach so langer Zeit mal wieder einzusetzen, war ein tolles Gefühl.

  • Tanzen – durch Musik in Bewegung

    Kerstin beim Abschlussball nach dem Anfängerkurs im Juli 2019

    Seit inzwischen drei Jahren (eigentlich zwei Jahren + ein Jahr Corona-Zwangspause) tanze ich in einer Karlsruher Tanzschule – ein super Ausgleich zum Alltag, der funktioniert. Wie, erzähle ich Euch hier.

     

    Aller Anfang ist spannend

    Nachdem ich an der Tanz-AG in meinem letzten Schuljahr in der Blindenschule großen Gefallen gefunden hatte, war für mich schnell klar, dass ich einen richtigen Tanzkurs machen wollte. Natürlich stellte ich mir am Anfang einige Fragen: Hat man die Zeit und Geduld, mir die Bewegungen verbal zu beschreiben und mich bei Fehlern zu korrigieren? Kann ich mit dem vorgegebenen Tempo mithalten? Und lässt sich überhaupt jemand auf eine blinde Tanzpartnerin ein? Aber ich war entschlossen: Wenn ich als blinder Mensch in der „Sehendenwelt“ Anschluss finden will, muss ich von mir aus das Risiko eingehen eventuellen Vorurteilen mit meiner eigenen Selbstsicherheit entgegentreten. Also meldete ich mich an.

     

    Zurechtfinden in einer großen Gruppe

    Tatsächlich war es gar nicht so einfach für mich, mich zurechtzufinden. Die Paare formierten sich bei jedem Lied, manchmal sogar innerhalb eines Liedes neu und eine Gruppe von mehr als 50 Leuten macht es nahezu unmöglich, nur übers Gehör einen Überblick darüber zu bekommen, was gerade passiert – ohne meine Tanzlehrerin, die mich bei Partnerwechseln zuverlässig neu „verpartnerte“, wäre ich vermutlich völlig überfordert gewesen. Inzwischen bin ich in einer deutlich kleineren Kursgruppe und bin darüber sehr froh, da die Anzahl der Personen hier wesentlich überschaubarer ist und während der Erklärungen der Tanzlehrerin auch nicht mehr ständig geflüstert wird, was mich um ehrlich zu sein oft ziemlich gestresst hat. Zudem ist mein jetziger Kurs für feste Tanzpaare ausgelegt, sodass auch keine Partnerwechsel mehr stattfinden.

     

    Besonderheiten durch die Blindheit

    In meinem Tanzkurs habe ich den großen Vorteil, dass alle Tänze Paartänze sind. Dadurch tanzen sowieso alle durch die Tanzhaltung in direktem Körperkontakt mit dem Partner, wodurch ich die Bewegungen sehr gut erspüren kann. Im Gegensatz zu den Sehenden, die viel übers Abschauen von der Tanzlehrerin lernen, ist für mich das praktische Tun essenziell. Nur so kann ich wirklich erfassen, wie die Figur geführt wird und wie ich meine Schritte setzen muss. Es braucht also einen entsprechend geduldigen und verständnisvollen Tanzpartner – wobei das bislang mit allen gut funktioniert hat. Daneben orientiere ich mich sehr stark am Rhythmus der Musik, der mich insbesondere beim Lernen neuer Schrittfolgen sehr unterstützt.

     

    Schwierig wird es bei Tänzen, die ohne Partner getanzt werden. In den ersten Kursen haben wir immer wieder sogenannte „Partytänze“ gelernt, bei denen ich dann mal gern schräg gedreht oder Bewegungen anders interpretiert habe, als sie tatsächlich waren. Außerdem war es hier immer problematisch, wenn ich mal rauskam, weil es entsprechend schwierig ist, wieder in eine Choreographie hineinzufinden, wenn man nicht sieht, wo die anderen gerade sind. Inzwischen werden im Kurs aber nur noch Paartänze getanzt, weshalb dieses Problem zumindest aktuell der Vergangenheit angehört.

     

    Nie die Hoffnung verlieren

    Teilweise war meine bisherige Tanz-Zeit ziemlich steinig. In den vergangenen 1 1/2 Jahren, in denen ich – erst aufgrund von Corona, dann aufgrund meines Kurses (ich habe zwischenzeitlich vom Jugendkurs in den Erwachsenenkurs gewechselt) – einen festen Tanzpartner brauchte, musste ich (nicht aufgrund meiner Blindheit – coronabedingt bzw. aus persönlichen Gründen) dreimal neue Tanzpartner suchen. In den Zeiten, in denen ich keinen festen Tanzpartner hatte (in zwei von drei Fällen war ich einige Wochen ohne Partner), bin ich – da die anderen natürlich auch als feste Paare getanzt haben – regelmäßig alleine stehen geblieben, was für mich natürlich äußerst ungünstig war, weil ich ja erstrecht das praktische Tun brauche, um neue Sachen zu lernen. Daraus resultierten ein Gefühl von Ausgeschlossenheit und die stetige Ungewissheit, ob ich noch weitertanzen kann oder unfreiwillig aufhören muss, weil ich niemanden habe, der mit mir weitermacht.

     

    Wenn ich aber eines durch den Tanzkurs gelernt habe, dann, dass man die Hoffnung niemals aufgeben sollte, auch wenn es gerade schwierig ist. Meine Tanzlehrerin hat wirklich alles getan, was sie tun konnte, um mir eine gleichberechtigte Teilnahme im Kurs zu ermöglichen. Gleich zu Beginn hat sie mich gefragt, worauf sie bei ihren Ausführungen neuer Schritte achten muss. Wenn ich keinen Tanzpartner hatte, hat sie mit mir getanzt, damit ich den Anschluss nicht komplett verliere. Und nicht zuletzt hat sie einen großen Anteil daran, dass sich immer wieder Tanzpartner gefunden haben. So erfüllt es mich vor allem mit großer Dankbarkeit, dass ich Anfang Mai erfolgreich in den Goldstar 2-Kurs starten konnte – denn tanzen ist für Blinde ein wunderbarer Sport, wenn man ein offenes Umfeld hat, dass auf die sich daraus ergebenden Bedürfnisse eingeht, aber auch die Stärke eines sehr guten Gespürs zu schätzen weiß.

  • Himmelsleiterlauf 2021: 1600 Stufen für einen Rennrollstuhl

    Eines der Wahrzeichen Heidelbergs ist der Königstuhl, der zentral im Stadtzentrum gelegene, 568 m hohe Hausberg. Eine Möglichkeit, um auf den Königstuhl zu gelangen, ist die sogenannte „Himmelsleiter“, eine Sandsteintreppe mit rund 1600 Stufen vom Heidelberger Schloss bis zum Gipfel. Und das Hinaufsteigen der Himmelsleiter lohnt sich zur Zeit doppelt: Durch den „Himmelsleiterlauf“, einen Spendenlauf, an dem man noch bis zum vierten Advent teilnehmen kann, soll ein Rennrollstuhl für einen körperbehinderten Triathleten finanziert werden. In diesem Beitrag erfahrt Ihr, wie das funktioniert und was ich dabei heute erlebt habe.

     

    Organisiert und durchgeführt wird der Himmelsleiterlauf vom „Heart Racer Team“. Das ist ein Verein, der jungen Menschen mit Behinderung den Triathlonsport ermöglichen möchte. So wurden beispielsweise auch unsere Triathlon-Trainings, an denen ich in der Blindenschule teilgenommen habe, vom Heart Racer Team organisiert. Seit 2012 werden durch den Himmelsleiterlauf Investitionen für Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung finanziert, dieses Jahr – wie bereits erwähnt – ein Rennrollstuhl für einen körperbehinderten Triathleten.

     

    Mitmachen ist ganz einfach: Unten am Start der Himmelsleiter gibt es ein Kästchen mit Postkarten. Jede mitlaufende Person holt sich eine Postkarte, füllt sie aus und nimmt sie mit nach oben. Am oberen Ende der Himmelsleiter befindet sich dann ein Briefkasten, in den die Karte eingeworfen wird. Für jeden absolvierten Lauf werden durch verschiedene Sponsoren aus Heidelberg, Schwetzingen und Wiesloch zehn Euro gespendet.

     

    Für mich war von Anfang an klar, dass ich einen Beitrag zu dieser Aktion leisten wollte. Jetzt kann ich aber blind nicht einfach mal an einem freien Nachmittag alleine losziehen. Da habe ich eine der Mitinitiatorinnen des Heart Racer Teams, die ich noch aus meiner Triathlon-Zeit kannte, kontaktiert und wie der Zufall es wollte, wollte eine Bekannte von ihr ohnehin dort laufen und war gerne bereit, mich bei dieser Gelegenheit kennenzulernen. Dass ich an ihrem geplanten Lauftag Urlaub hatte und die Bekannte gerade einmal zehn Autominuten von mir entfernt wohnte, machte die Sache dann perfekt.

     

    Und so fuhren wir heute, dem 16.12.2021, gemeinsam mit einem weiteren Bekannten von ihr, mit dem Auto nach Heidelberg zum Schloss. Für uns alle war es eine spannende Situation. Es ist ja immer etwas aufregend, mit Leuten unterwegs zu sein, die man zuvor noch nie persönlich getroffen hat – für mich als Blinde vielleicht nochmal im Besonderen, da dieses Vorhaben, allein schon aufgrund der auszufüllenden Postkarte, ohne sehende Unterstützung nicht umsetzbar wäre. Aber auch für die anderen beiden war das Zusammentreffen mit einer blinden Person etwas vollkommen Neues.

     

    So dauerte es einige Stufen, bis ich ein Gefühl dafür hatte, wie meine Begleiterin ihre Schritte setzt (ich hielt mich mit einer Hand an ihrem Rucksack fest, während ich mit der anderen Hand meinen Blindenstock unterstützend einsetzte) und bis wir herausgefunden hatten, was für Ansagen ich brauche und möchte. Das war aber wirklich nur eine kurze Findungsphase, und dann marschierten wir ganz selbstverständlich die Stufen hinauf. Konzentrieren musste ich mich durchaus, da die Stufen unterschiedlich breit und unterschiedlich hoch sind (Naturstufen eben), aber durch eine gute Kommunikation – nicht nur verbal, sondern auch über den Rucksack als physische Verbindung – fühlte ich mich durchgehend sehr wohl und war bis auf wenige Ausnahmefälle sehr trittsicher.

     

    Oben angekommen warfen wir dann unsere Postkarten ein, begeistert und dankbar, wie gut alles geklappt hat, bevor wir – diesmal aber über einen anderen, stufenfreien Weg – wieder runter zum Schloss spazierten und rundum zufrieden zurückfuhren.

     

    Es war eine super Erfahrung für mich, auf Leute zu treffen, die vollkommen offen und vorurteilsfrei auf mich zugegangen sind und die mich trotz meiner Blindheit ohne zu zögern mit in ihr Laufteam aufgenommen haben. Wir haben auf der Autofahrt schnell gemeinsame Gesprächsthemen gefunden und uns beim Laufen voll aufeinander eingelassen. Daher hat sich der Himmelsleiterlauf in jeder Hinsicht gelohnt – nicht nur, um einen Beitrag für die Finanzierung des Rennrollstuhls zu leisten. An dieser Stelle vielen Dank für die unkompizierte Zusammenarbeit und den äußerst kurzweiligen Nachmittag!

    Kerstin mit der Postkarte in der Hand am Startpunkt

    Kerstin und Barbara beim Einwerfen der Karte in den Briefkasten auf dem Königstuhl

     

  • Dem Wasser ganz nah – Kanu fahren ohne zu sehen

    Mit anderen zusammen oder alleine unterwegs sein, sich sportlich betätigen, die Natur mal aus einem anderen Blickwinkel wahrnehmen, Action und Nervenkitzel – beim Kanufahren kann man gleich alles haben. Auch ich steige seit April 2019 in der Regel einmal in der Woche ins Kajak.

     

    Wie ich zum Paddeln kam

    Nahezu zufällig begegnete mir die Ausschreibung eines Kanu-Einstiegskurses. So ganz konnte ich nicht einschätzen, was da auf mich zukommen würde, aber da ich gerne Neues ausprobiere und ich das Angebot ziemlich spannend fand, schrib ich einfach mal die Kursleitung an. Kurz darauf hatte sich ein erfahrener Paddler des Vereins als individuelle Begleitung für mich zur Verfügung gestellt.

     

    Während die anderen Teilnehmenden in ein Einzel-Kajak stiegen, übte ich in einem Zweier-Kajak. Das Zweier-Kajak ist nicht zwingend erforderlich, denn man kann blind auch problemlos in einem Einzel-Kajak fahren, wenn die anderen in Hörweite bleiben, jedoch hat das Zweier-Kajak in der Anfangsphase große Vorteile. So machte der Kursleiter Grundschlag, Bogenschlag, Ziehschlag etc vor und die Teilnehmenden schauten ihm dabei zu und konnten die Techniken recht leicht übernehmen. Ich hingegen brauchte eine viel konkretere Ansprache, die mir durch Worte oder auch mal durch Handführung erfahrbar macht, was zu tun ist. Das fing schon damit an, wie das Paddelblatt ins Wasser getaucht werden muss. Mit der Zeit bekommt man durch den Wasserwiderstand zwar ein taktiles Feedback darüber, ob es passt oder ob man das Paddel noch etwas drehen sollte, bis man aber dieses Gefühl hat, braucht man diesbezügliche Hinweise. Um den sehenden Mitfahrer dahingehend etwas zu entlasten, haben wir am Griff des Paddels ein Holzstück mit Klebeband als Markierung angebracht. Wenn das Holzstück in Fahrtrichtung zeigte, stimmte die Position des Paddelblatts. So konnte ich mir schnell einprägen, wie sich das Paddelblatt im Wasser anfühlen muss beziehungsweise wie nicht. Inzwischen brauche ich keine Markierung mehr, weil ich anhand des Wasserwiderstands genau spüre, wie ich das Paddel gerade halte.

     

    Weiterer Vorteil des Zweierkajaks: Ich kann mich vollkommen auf die Paddeltechnik konzentrieren und brauche mich nicht um die Richtung oder um das Ausweichen von Hindernissen, die es im Wasser in Form von Treibholz, Büschen, Steinen, anderen Booten etc zuhauf gibt, kümmern – gerade bei längeren Touren oder wenn es auf den Rhein geht eine große Entlastung.

     

    Herausforderung im Einzelkajak

    Um ehrlich zu sein ist das Fahren im Einzelkajak immer noch konzentrationstechnisch herausfordernd für mich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man sich am Anfang immer wieder dreht und sehr oft die Richtung anpassen muss, um geradeaus zu fahren und auch Sehende müssen etwas üben, damit es klappt, aber ich glaube schon, dass man als Blinde noch ein deutlich besseres Gespür für Boot und Paddel braucht. Ich habe am Anfang beispielsweise gar nicht gemerkt, dass ich mich gedreht habe und war echt froh, dass man mir nicht erst noch den entsprechenden Paddelschlag zeigen musste, wenn man „rechts!“ oder „links!“ rief – das hätte mich vermutlich überfordert.

     

    Auch die Orientierung auf dem Wasser ist wesentlich vielschichtiger als die Orientierung bei Sehenden: Idealerweise fährt immer jemand vor mir her und spricht mit mir oder jemand anderem. Die Person kann auch ein Glöckchen am Boot haben oder Ähnliches, hauptsache, sie macht sich (so durchgehend wie möglich) akustisch bemerkbar. Das ist die mit Abstand einfachste und entspannteste Methode, und wenn wir ohnehin in einer Gruppe fahren und sich die Paddler vor mir einfach über alles Mögliche unterhalten, bin ich vollkommen unauffällig dabei.

     

    In mir bekanntem Gebiet nutze ich – insofern nicht von Wolken verdeckt – auch die Sonne als Orientierung. Wenn ich um die gewohnte Uhrzeit auf dem Wasser bin, weiß ich, wo die Sonne sein muss (vor mir, rechts/links von mir oder hinter mir) und mit ein paar geographischen Grundkenntnissen zur Umgebung kann ich die Sonne als Kompass einsetzen, um mich zu orientieren. Wenn Bäume die Sonne verdecken, ist das natürlich schlecht, aber mit dieser Kenntnis bin ich auch schon ein Stück komplett alleine gepaddelt.

     

    In solch einer Situation bietet sich dann die „Echo-Ortung“ als Ergänzung an. Als „Echo-Ortung“ bezeichnet man spezielle Schnalzlaute, deren Echo mir akustische Informationen über mein Umfeld gibt, ähnlich wie bei Fledermäusen. Dadurch kann ich wichtige Informationen bekommen: Fahre ich näher am rechten oder am linken Ufer? Könnten während der nächsten Paddelschläge Büsche meine Haare streifen? Nicht alles hört man, ich bin auch schon gegen einen schwimmenden Baumstamm gefahren, und leider kommt das Echo oft genug von der Bootsspitze zurück, sodass man gar nicht hören kann, was sich davor befindet. Es gibt aber auf jeden Fall eine gewisse Sicherheit, immerhin wenige Informationen über seine Umwelt zu haben. Dennoch: Menschen, die nicht wenigstens noch einen kleinen Sehrest haben, sollten niemals komplett ohne sehende Begleitung auf dem Wasser unterwegs sein – schon gar nicht in fremden Umgebungen.

     

    Theoretisch können blinde Menschen auch alleine im Wildwasser fahren (akustische Anhaltspunkte gibt es überall), ich persönlich steige aber schon bei Ausfahrten auf dem Rhein oder an mir unbekannten Orten aufs Zweier-Kajak um – ganz davon abgesehen, dass es sich im eigenen Boot einfach am schönsten fährt.

     

    Apropos Fluss: Gerade hier ist es ungemein wichtig, das Wasser zu erspüren, um die Strömung richtig einzuschätzen. Dafür beobachtet man genau, wie sich das Paddel im Wasser verhält und wie das Wasser mit dem Boot interagiert: Schaukelt das Boot oder dreht es sich? Gibt es einen hohen Widerstand beim Paddeln oder geht alles ganz leicht? Gleichzeitig schätzt man als Blinde Gegebenheiten manchmal ganz anders ein als Sehende: Wir waren gerade eifrig am Paddeln, als ich ziemlich zentral vor uns ein Rauschen hörte, was von meinen Ohren als Gefahr aufgefasst wurde, obwohl in Wahrheit nur eine Buhne, die man gut überpaddeln kann, dafür verantwortlich war. Hier ist dann wieder die sehende Person wichtig, die einen dann über die Frage „Was ist denn das da vor mir?“ aufklärt. Spannend wird es auch, wenn ein Schiff in der Nähe ist. Während mich auf dem Altrhein alle kennen und mir mit ihren Booten konsequent ausweichen, liegt es auf dem Rhein an mir, dem Schiff rechtzeitig auszuweichen. Ein sinnvoller Weg ist hier, nahe des Ufers (außerhalb der Fahrrinne) zu fahren – und das bedeutet vor allem, schnell auf entsprechende Anweisungen des Vorfahrenden zu reagieren.

     

    Fazit

    Nicht immer ist die Präsenz auf dem Wasser einfach, erfordert Anstrengung und Konzentration. Doch das Paddeln ist auch eine wunderschöne und entspannende Aktivität: Es ist herrlich, sich vom Wasser treiben zu lassen, und wenn wir zu zweit in einem Boot sitzen, kann ich mich voll und ganz auf die Paddeltechnik konzentrieren und dahingehend auch mal etwas Neues lernen. Zudem muss ich nicht durchgehend zu 100 Prozent präsent sein, wodurch ich mich hier deutlich mehr entspannen kann, davon abgesehen, dass ich im Zweier-Kajak meist unauffälliger als im Einzelkajak bin und viele überhaupt nicht merken, dass ich blind bin. Manchmal paddeln wir minutenlang schweigend den Altrhein entlang und beobachten die Natur. Mein Begleiter beschreibt mir, was er sieht, und die gemütlichen, gleichmäßigen Bewegungen mit dem Paddel sind fast meditativ  – wunderschön

    Kerstin beim Paddeln im Einerkajak

     

    Beides hat seinen Reiz: Alleine im Boot sitzen, für sich selbst verantwortlich zu sein, die Freiheit und Unabhängigkeit zu spüren, die ich empfinde, wenn ich mich trotz meiner Blindheit aus eigener Kraft in meinem Boot fortbewege, aber auch die Entspannung, mal nicht auf die Richtung und eventuelle Hindernisse achten zu müssen, mich mit einem erfahrenen Mitfahrer sicher zu fühlen und einfach loszulassen und zu genießen oder mich aber auch mal körperlich herauszufordern.

     

  • Wer singt denn da? Von Vögeln und ihren Stimmen

    Als Kind hatte ich CD’s, auf denen verschiedene Vogelarten behandelt wurden. Durch die Stimmenbeispiele konnte ich schon bald einige Vögel erkennen und meinen Eltern etwas über sie erzählen, wenn wir unterwegs waren. Wie ich dann allerdings älter wurde und die CD’s nicht mehr hörte, blieben mir nur einige wenige Vogelstimmen im Gedächtnis, die meisten verlernte ich – bis zu diesem Frühjahr.

     

    Während des Corona-Lockdowns im Frühling entstand bei mir die Routine, jeden Tag einen Spaziergang zu machen. Nach zehn bis 15 Minuten Fußweg bin ich in schöner Natur mit vielen Bäumen, einem ruhigen Gewässer und gut ausgebauten Waldwegen. Oft nutzte ich diese Spaziergänge, um die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen und meine Umgebung bewusst zu beobachten. Inspiriert durch die vielen Eindrücke, die vor allem durch die Faszination für die verschiedenen Vogelstimmen, die ich hörte, geprägt waren, erinnerte ich mich an jene Zeit zurück und begann, die Vogelstimmen nochmal neu zuordnen zu lernen.

     

    So habe ich im Laufe der Monate unsere gefiederten Schrebergartenbesucher oder die Vögel vor dem Fenster meines Büros mal etwas genauer unter die Lupe genommen. Besonders bereichernd waren und sind für mich die Beobachtungen, die ich mache, wenn ich mit dem Kanu auf dem Altrhein fahre. Zum einem hört sich vom Wasser aus alles nochmal anders an und ich kann teilweise durch naturbelassene Oasen paddeln, die ich zu Fuß gar nicht in dieser Perspektive erreichen würde, zum anderen ist die Artenvielfalt am Altrhein nochmal deutlich anders als das, was ich in dem von meinem Zuhause fußläufig erreichbaren Wald hören kann – und dennoch war es auch ein Erlebnis, eines Morgens vor Einbruch der Dämmerung aufzubrechen, um mir einen hautnahen Eindruck von dem natürlichen Konzertprogramm, aufgrund seiner schematischen Abfolge auch als „Vogeluhr“ bezeichnet, der Vögel zu verschaffen.

     

    Jetzt, im Sommer, werden die meisten Arten leider eher still. Das liegt daran, dass insbesondere die Männchen den Gesang als Mittel nutzen, um Weibchen anzulocken und ihr Revier vor der Konkurrenz zu verteidigen. Im Sommer ist die Brutzeit dann vorbei und die Vögel singen wieder weniger. Deshalb wiederhole ich die Vogelstimmen nun noch mehr mit meinen Lerntools, die sich auch für Interessierte ohne Vorkenntnisse eignen. An dieser Stelle möchte ich Euch einige von ihnen vorstellen.

    Hinweis: Alles, was ich im folgenden aufführe, hat keine kommerziellen Hintergründe, sonder sind persönliche Empfehlungen basierend auf meinen Erfahrungswerten.

     

    In der kostenlosen App „40 Gartenvögel“ finden sich – wie der Name schon sagt – die 40 häufigsten Gartenvögel übersichtlich zusammengefasst mit einem Bild, einem kurzen Text und einem Tonbeispiel. Die App-Entwickler legen wert auf Barrierefreiheit und haben sich beispielsweise im letzten Update darauf fokussiert, die App für VoiceOver noch leichter bedienbar zu machen. Die gleichen Vogelstimmen und -arten wie bei „40 Gartenvögel“, nur mehr Infos in Textform findet man zudem hier:

    https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/vogelportraets/index.html

    Auch abgesehen von den 40 Vogelarten ist die Website des NABU für mich die erste Anlaufstelle, wenn ich mich mit den Vögeln beschäftigen möchte. Hier gibt es viele informative Artikel über Aussehen und Lebensweise der verschiedenen Arten, Inspirationen, wie man selbst für die Vögel aktiv werden kann, einen Vogeltrainer mnklusive Selbsttest und ein Vogelstimmen-Quiz. Die Inhalte sind gut aufbereitet und bis auf wenige Kleinigkeiten ist alles auch mit Screenreader gut nutzbar.

     

    Ein deutlich größeres Vogelstimmenverzeichnis mit 308 verschiedenen Vogelarten findet man in der App „Vogelwelt“. Die Steckbriefe mit Informationen zu Größe, Erkennungsmerkmalen, Brutzeit u. a. kann man bereits in der kostenlosen Basis-Version lesen, Aufnahmen der Vogelstimmen, Fotos von den Eiern oder Videos, die eine Vogelbeobachtung aus der Nähe ermöglichen, kann man sich bei Bedarf einzeln oder als Gesamtpaket kaufen. Mit etwas Übung lässt sich auch diese App blind bedienen.

     

    So, jetzt haben wir daheim gut gelernt, aber was, wenn uns dann im Wald plötzlich eine Vogesstimme zu Ohren kommt, die wir einfach nicht einordnen können? Vogelstimmen-Erkennungsapps findest Du im Appstore zu Hauf, bislang habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass da bei Hintergrundgezwitscher anderer Vögel schon einiges an Verwirrung und Unklarheit aufkam und/oder die App nicht barrierefrei ist. Hier kann es also durchaus schwierig werden. Die Bayern hatten da mit dem „Vogelphilipp“ mal eine super Lösung. Der Vogelphilipp ist ein Vogelexperte, dem man über Whatsapp eine Sprachnachricht mit der entsprechenden Vogelstimme schicken konnte und dann gesagt bekam, welcher Vogel das war. Häufig ist aber die einzige Möglichkeit, mit einem aufnahmefähigen Gerät die entsprechende Vogelstimme aufzunehmen, sie sich dann daheim wieder ins Gedächtnis zu rufen und dann sein Glück in einer Vogelstimmen-Übersicht zu versuchen.

     

    Zu guter Letzt empfehle ich Euch noch dieses YouTube-Video:

     

    Viele Vögel kann man nicht sehen, wenn sie durchs Gebüsch hopsen und in den Baumkronen umherfliegen, doch übers Gehör kann man sie möglicherweise trotzdem erkennen. Ich jedenfalls finde es eine spannende Sache. Jede Vogelart hat ihre ganz eigenen Gesänge und Warnrufe, die einem als blinde Person in ihrer Vielfalt wohl das prägendste akustische Merkmal des Frühlings sind. Durch die Auseinandersetzung mit den Vogelstimmen bin ich aufmerksamer geworden, wenn es um die Geräusche um mich herum geht – und inzwischen passiert es schon fast unterbewusst, dass ich jedes Zwitschern, das ich höre, zuzuordnen versuche.

  • Hinter den Kulissen des Europacup-Rennens im Paracycling in Prag und noch viel mehr …

    Hinter den Kulissen des Europacup-Rennens im Paracycling in Prag und noch viel mehr …

    Es war für mich eine große Freude, dass ich mit meinem Tandemguide Tobi zu einem Europacup-Rennen nach Prag fahren durfte, welches er gemeinsam mit seinem blinden Freund Sepp bestritt. Zuvor hatten die beiden bereits mehrere Rennen innerhalb Deutschlands sowie die Deutsche Paratriathlon-Meisterschaft bestritten und waren im vergangenen Jahr bereits in Prag gestartet. Was ich nicht ahnen konnte war, dass der Fokus zwar auf dem Radsport lag, es aber noch einiges mehr zu entdecken geben würde …

    Die Reise begann am Freitag, den 28. September 2018. Bereits am Vormittag machten wir uns auf den Weg. Damit meine beiden Mitfahrer nicht bis nach Karlsruhe fahren mussten, fuhr ich  ihnen mit dem Zug entgegen. Nachdem ich am Bahnhof in Walldorf zugestiegen war, verbrachten wir die nächsten sechs Stunden im Auto. Zwar war die Autobahn nicht ganz staufrei, jedoch leitete uns das Navigationssystem am Stau vorbei, sodass wir sogar früher als erwartet ankamen. Bevor wir erstmals zur Rennstrecke fuhren, besorgten wir uns den Schlüssel zu unserer Ferienwohnung, was ich gleich mit einer kleinen Erkundungstour verband. An der Rennstrecke holten Sepp und Tobi dann ihre Startunterlagen ab und luden das Tandem, welches auf einem Gepäckträger auf dem Dach des Autos transportiert wurde, ab. Ich freute mich sehr, als ich die beiden ganz praktisch unterstützen konnte, indem ich sie bei der Wettkampfbesprechung vertrat. Die Wettkampfbesprechung fand in einem großen Zelt statt und wurde ausschließlich auf Englisch abgehalten. Wie sich später herausstellte, hatte ich einige Dinge falsch verstanden und als ich eine Rückfrage stellte, kam es ebenfalls zu Missverständnissen, trotzdem war es eine Aufgabe, die mir viel Spaß machte und ganz nebenbei eine tolle Auffrischung meiner Englischkenntnisse darstellte. Themen der Wettkampfbesprechung waren die Startzeiten, die Position der Startnummer am Rad, die Bewertung der Rennergebnisse und Informationen zum medizinischen Dienst.

    Nachdem Sepp und Tobi ihre Testfahrt auf der Rennstrecke beendet und wir uns in der Ferienwohnung eingerichtet hatten, fuhren wir in die Innenstadt Prags, die mich besonders beeindruckte, auch wenn einige Dinge für mich als Blinde nicht ersichtlich waren. So findet man in Prag überall alte Gebäude und Statuen. Obwohl es schon sehr spät abends war, waren immer noch unzählige Ausflugsschiffe auf der Moldau unterwegs. Wir konnten beobachten, wie in Tschechien getanzt wird, und überall gab es Musik, mal ein Akkordeonspieler am Straßenrand, mal Jazzmusik aus einer Kneipe und kurz darauf Metal aus einem Restaurant. Die Innenstadt Prags ist riesig und sehr belebt. Auch was Nahrungsmittel anbelangt ist hier manches anders als in Deutschland. So sind die Äpfel, Nektarinen und Zwetschgen im Supermarkt viel größer und wir stießen auf sehr viele Süßigkeiten, die wir bis dato nicht kannten. Als wir zurück in der Wohnung waren und einige der unbekannten Süßigkeiten probierten, mussten wir feststellen, dass manche sehr gut, andere aber auch sehr seltsam schmeckten – anderes Land, andere Geschmäcker.

    Am nächsten Morgen machten wir uns ausgeschlafen auf den Weg zu einer Bäckerei, um uns etwas zum Frühstücken zu besorgen, bevor wir gegen 11.30 Uhr an der Rennstrecke ankamen. Heute stand das Straßenrennen auf dem Programm. 17 Runden von je 3,3 Kilometern galt es zu absolvieren, wobei Sepp und Tobi das einzige deutsche Tandem am Start bildeten und mit einem serbischen, einem slowakischen, einem niederländischen, einem israelischen, zwei italienischen und vier polnischen Teams gleich zehn andere Tandems die Konkurrenz darstellten. Bevor es aber zum Start ging, gab es noch einiges zu organisieren: Ist beim Rad alles in Ordnung? Wie viel Energie müssen wir wann zu uns nehmen, damit es möglichst effizient ist? Wie viel Watt muss wer treten? Auf wie viel bar müssen die Reifen aufgepumpt werden? Da wurde kalkuliert und optimiert, was das Zeug hält. Ich stand dabei, hörte zu und kam zu dem Entschluss, dass das Training ein Aspekt, aber nicht der einzige Aspekt, der darüber entscheidet, wie gut man bei einem Rennen abschneidet, ist – Ernährung, Körpergewicht, Gewicht und Qualität des Materials, aus dem das Rad besteht, eine mental stabile Verfassung, Motivation, ein effektiver Energie- und Krafthaushalt und nicht zuletzt eine perfekte Zusammenarbeit beider Fahrer sind ebenfalls ausschlaggebende Faktoren.

    Und dann ging es los: Man hatte mich mit der Kamera ausgestattet und zur Strecke geführt, damit ich dort meine Aufgabe als Kamerafrau ausführen konnte – ja, ihr habt richtig gelesen, ich sollte die beiden filmen. So platzierten sich Sepp und Tobi in der Startaufstellung – und ich verpasste natürlich prompt den Start! Auch danach gestaltete sich das Filmen als sehr schwierig: Ich hatte keine Ahnung, wann das deutsche Tandem an mir vorbeifuhr und die Moderation erfolgte zu 90 Prozent auf Tschechisch. Ich filmte also einfach mal drauf los, ohne zu wissen, wer oder was mir da vor die Linse kam. Erst als das Rennen beendet war, erfuhr ich, wie es gelaufen war: Sie hatten die beiden Italiener hinter sich lassen können, blieben aber gegen alle anderen chancenlos – Platz neun von elf war das Ergebnis. Schade, dass mein Film vermutlich nicht besser war …

    In den nächsten Stunden drehte sich nahezu jedes Gespräch darum, ob man schneller bzw. besser als im Vorjahr war, was gut lief, was schlecht lief, was langfristig, was beim Zeitfahren am Folgetag optimiert werden muss und vieles mehr. Dabei wurden sowohl die Gesamtzeiten als auch die einzelnen Rundenzeiten aller Fahrer genau studiert und mit den Zeiten des Vorjahres und Daten anderer Rennen verglichen. Währenddessen ruhten wir uns etwas aus  und fuhren wieder in die Stadt. Nachdem wir uns in einem Restaurant gestärkt hatten, kauften wir ein paar Dinge für den Sonntag ein. Bevor wir zurück zur Wohnung fuhren, probierten wir noch eine tschechische Spezialität, die wir am Vorabend schon entdeckt hatten: Trdlo. Dafür wird ein Stück Teig um eine Art Nudelholz gewickelt, welches während des Backvorgangs langsam, aber gleichmäßig gedreht wird, und anschließend mit Nutella, Schokolade, Eis, Apfelmus, Marmelade oder etwas anderem gefüllt. Bekommen kann man diese Trdlos, die ausgesprochen gut schmecken, aber einen in puncto Aussprache durchaus herausfordern, gefühlt alle paar Meter an Ständen am Straßenrand.

    Bevor es am nächsten Tag noch einmal zur Rennstrecke ging, mussten wir unser Gepäck wieder ins Auto einladen und den Wohnungsschlüssel abgeben. Die Zeit war wirklich schnell vergangen! An der Rennstrecke lief es dann ähnlich ab wie vor dem Straßenrennen, wobei Sepp und Tobi, im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern, keine Teile ihres Rades austauschten. Dafür lernte ich heute die Rolle, eine praktische Hilfe zum Warmfahren, kennen. In die Rolle kann man das Tandem einspannen und sich dann unter Realbedingungen einfahren, nur mit dem Unterschied, dass das Rad mit der Rolle fest verbunden ist und man sich deshalb nur auf der Stelle bewegt. Auch musste ich heute nicht filmen: denn Sepp und Tobi hatten vorab eine Stelle an der Strecke, an der die Kamera entsprechend platziert wurde, gefunden.

    Und dann ging es erneut an den Start. Diesmal starteten nicht alle auf ein Startsignal, sondern es startete immer ein Rad pro Minute. Da der Start sich an der Platzierung des Straßenrennens orientierte und die Letzten zuerst starteten, waren Sepp und Tobi als drittes an der Reihe. Fünf Runden, also 16,5 Kilometer, mussten so schnell wie möglich zurückgelegt werden. Auch hier bekam ich, abgesehen vom Start, nur sehr wenig mit, und auch hier landeten die beiden auf Platz neun, und wieder wurde im Anschluss analysiert und diskutiert. Es wurden aber auch Gespräche mit anderen Tandemfahrern geführt, was durchaus interessant war, da man sich austauschen konnte und dadurch viel voneinander erfuhr. Danach luden wir das Tandem aufs Auto und machten uns nach einer letzten Stärkung an der Rennstrecke auf den Weg Richtung Deutschland, der vollkommen reibungslos verlief.

    Es gab durchaus Momente, in denen ich mich fragte, von was Sepp und Tobi da sprachen und was sie taten, jedoch war dies vorhersehbar und so kann ich im Großen und Ganzen auf ein sehr interessantes Wochenende zurückblicken. Vielen Dank an Sepp und Tobi, dass ich mitfahren durfte!Wieso steht hier ein Stuhl im Aufzug Warmfahren auf der Rolle Vorbereitungen vor dem Start Unsere Küche Unser Schlafzimmer Unser beladenes Auto Startaufstellung vor dem Straßenrennen Sepp und Tobi im Wiegetritt Sepp und Tobi beim Überholen der Italiener Sepp und Tobi an der Strecke Sepp und Tobi am Limit Kerstin und Tobi am Morgen vor dem Start Kerstin Sepp und Tobi an der Strecke Kerstin findet den Zimmerschlüssel Herausbeschleunigen auf Start-Ziel Gebäude in Prag 3 Die Startunterlagen Das Team während der Fahrt Abenddämmerung in der Altstadt

  • Aufstieg auf den Säntis (2502m)

    Aufstieg auf den Säntis (2502m)

    Mein Motto „Immer mal was Neues“ ist fast schon publik und so war es auch am Donnerstag, den 16. August 2018, als ich mich diesmal ohne Tandem, aber dafür mit Wanderschuhen zu einem Aufstieg auf den 2502 Meter hohen Säntis in den Schweizer Alpen aufmachte.

    Zugegeben, bis auf die sogenannte Schwägalb (1200 Meter Höhe) konnte man mit dem Auto fahren und das haben wir ausgenutzt. Doch dort hörte der fahrbare Weg dann endgültig auf. Man konnte sich noch nicht einmal mehr vorstellen, dass sich an dieser schier unendlich hohen, grauen Felswand ein Weg verstecken sollte, obwohl klar war, dass es einen gab. Trotzdem war mir etwas mulmig zumute, als es losging. Würde ich die Tour konditionell schaffen? Bin ich belastbar, mutig, sicher und entspannt genug? Kann ich meinem Begleiter wirklich absolut vertrauen? Selbst, wenn man einen Triathlon gemacht hat, bereits im Steinbruch geklettert ist, sich im Rudern versuchte und immer wieder anspruchsvolle Mountainbike-Rennen mit dem Tandem mitfährt – man zweifelt doch jedes Mal wieder neu.

     

    Ein Glück ging es erstmal auf einen „Wiesenweg“, und auch als es allmählich felsiger wurde, war es wesentlich einfacher als gedacht – das ist blind gar nicht so schwer, wie es wirkt, man muss einfach nur auf die Anweisung der sehenden Begleitung hören und den Fuß auf den nächstgelegenen zum Drauftreten geeigneten Stein setzen. Wenn am Wegesrand (wenn man diese Gerölllandschaft „Weg“ nennen kann) ein Seil gespannt war, konnte ich komplett selbstständig daran entlanglaufen, genau wie mein Begleiter auch. Ich liebte diese Etappen, weil wir in dieser Zeit absolut gleichberechtigt waren und meine Blindheit für Außenstehende in keinster Weise zu Tage trat. Gleichzeitig war ich jedes Mal stolz darauf, den vorbeilaufenden Wanderern zeigen zu können: „Ich sehe nichts und bin trotzdem eine von euch!“

    Nichts desto trotz ließ aber natürlich die Kraft im Laufe der Zeit nach. In diesem Zusammenhang war und bin ich sehr dankbar für die drei Pausen, die wir immer nach etwa einer Stunde Fußmarsch einlegten. Durch Energieriegel und ein kohlenhydratreiches Vesper gelangte ich immer wieder zu neuer Kraft und Motivation. Bei einer Berghütte in bereits über 2000 Metern Höhe, bei der wir unsere letzte Pause machten, erzählte uns der Gastwirt, der während der Wandersaison auch dort wohnt, dass er für seinen Haushalt nur das Regenwasser zur Verfügung hat und einmal in der Woche zu Fuß ins Tal hinabsteigt, um einzukaufen – das muss man sich mal vorstellen: Da hat man kaum Luftlinie, nur ganz viel Höhe, und das Leben der Menschen hängt wirklich von der Natur ab – kein Regen, kein Wasser!

    Etwas nachdenklich setzte ich meinen Weg nach dieser Schilderung fort. Nach der dort erworbenen Cola fühlte ich mich wieder fit und leistungsstark und war mir nun so sicher wie nie, den Gipfel zu erreichen. Doch immer deutlicher zeichnete sich eine ganz andere Problematik ab: Die Zeit. Zwar habe ich wahrlich keine Gehbehinderung, aber schon allein das Suchen geeigneter Steine und das Ausführen der Anweisungen der sehenden Begleitung sorgen für ungeahnte Zeitabweichungen. Bestes Beispiel dafür: Der Weg von der Hütte zu einer Stütze der Bergbahn, an der man auch aus- und zusteigen kann. Der Wegweiser zeigt für diesen Weg 25 Minuten an, bei uns dauerte es knapp unter einer Stunde. Da wir im Bezug auf den Weg ins Tal von der Bergbahn abhängig waren und diese nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit fährt, war das Beenden der Wandertour an der Stütze unabdingbar. So forderten wir wohl oder übel die Bergbahn an, stiegen an der Stütze zu und ließen uns die letzten 250 Meter (die wandertechnisch die schwierigste Etappe der gesamten Tour gewesen wären) hochfahren. Im ersten Moment überwog die Enttäuschung, es nicht komplett geschafft zu haben, als ich oben ankam, doch als ich kurz darauf der Beschreibung der Aussicht lauschen durfte, war ich einfach nur noch glücklich. Ich war oben auf dem Gipfel, und wenn die Bergbahn später gefahren wäre, wäre ich zu Fuß oben angekommen, denn der Koordination, Kraft und Ausdauer für das restliche Stück des Weges hätte ich mir – sagen wir zu 95 Prozent – sicher sein können. Und ganz ehrlich: An einer Stütze anstatt an einem regulären Bahnhof der Bergbahn einzusteigen, erlebt man auch nicht alle Tage.

    Irgendwie war ich für einen Moment doch ein bisschen traurig, dass ich nicht sehen konnte, denn die Aussicht muss der Beschreibung nach unglaublich gewesen sein. Beim Wandern allerdings hat mich die Blindheit in keinster Weise behindert – im Gegenteil: Sie hat mich nur noch mehr darin bestärkt, fremden und vielleicht erstmal unmöglich erscheinenden Dingen offen zu begegnen und sich von seiner Einschränkung nicht einschränken zu lassen.

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  • Schauinslandkönig 2018 mit dem Tandem

    Schauinslandkönig 2018 mit dem Tandem

    Bereits zum zweiten Mal nahmen wir vergangenen Sonntag am Schauinslandkönig, dem Bergzeitfahren auf den Hausberg Freiburgs, den Schauinsland, in der Tandemwertung teil.

    Bereits um 06.14 Uhr morgens stieg ich in den Zug, mein Tandempilot Tobias Wolfsteiner wartete bereits dort und hatte schon eine über 60-minütige Reise hinter sich – kein Wunder: Das Tandem musste ins Auto eingeladen und am Bahnhof wieder ausgeladen werden, und dann gab es da noch eine 45-minütige Zugfahrt. Trotzdem wirkte er sehr fit, obwohl er gerade einmal vier Stunden zuvor von einem Triathlon in Hamburg zurückgekehrt war. In diesem Sinne nochmal herzlichen Dank, dass wir trotzdem gemeinsam starten konnten!

    Von Karlsruhe fuhren wir mit einem Umstieg in Offenburg nach Freiburg. Dabei transportierten wir das Tandem im Bahnhof meistens per Aufzug zu den entsprechenden Gleisen, lediglich in Freiburg war der Aufzug zu klein, sodass wir es die Treppe hinuntertragen mussten. Auch das Rolltreppefahren mit Tandem und ohne Blindenstock war eine ganz neue Erfahrung.

    Als Aufwärmung fuhren wir vom Freiburger Bahnhof zum Start am Fuß des Schauinslandes. Dabei mussten wir bereits auf diesem Weg einige Höhenmeter überwinden – dafür waren wir bei Ankunft am Start aber dann wirklich warm.

    Insgesamt waren, wie im vergangenen Jahr, sieben Tandems für die Tandemwertung gemeldet, wobei die anderen alle zum ersten Mal mitfuhren. Bei diesem Rennen gibt es keinen Massenstart, sondern die Fahrer reihen sich entsprechend ein (z.B. vor der 425 die 424 und hinter der 425 die 426) und starten dann im Abstand von zwölf Sekunden. So taten wir es auch, umringt von Einzelrädern, Inlineskatern und Fahrrädern mit Kinderanhänger, und starteten gegen 11.25 Uhr zum Gipfel des Schauinslandes.

    Es war ähnlich hart wie vergangene Woche, aber anders hart. Wir hatten keine Probleme mit den Bodenbelägen, da der gesamte Weg asphaltiert war, allerdings gab es keine Abfahrten, bei denen man sich zwischendurch ausruhen konnte. Insbesondere der Anfang war mit zwölf Prozent durchaus steil und verlangte uns einiges ab. Von den anderen Tandems sahen wir auf dem gesamten Weg nur eines, welches an uns vorbei fuhr – das Resultat sahen wir erst nach dem Rennen.

    Die Spannung stieg, als wir später vor der Ergebnistafel standen. 01:09:52 h war unsere Zeit – acht Minuten schneller als beim letzten Mal. Und es kam noch besser: Wir waren fünfter von sieben! Kein Wunder, dass wir uns sehr über diesen Erfolg freuten – wir waren nicht Letzter und hatten unsere Zeit verbessert!

    Wir blieben noch bis abends auf dem Schauinsland, besuchten dort das Besucherbergwerk und unterhielten uns mit anderen Fahrern, bevor wir bei einer herrlichen Abfahrt ins Tal und einer reibungslosen Rückfahrt mit dem Zug den Tag beenden konnten.

    Es hat wieder viel Spaß gemacht und wir sind nächstes Jahr natürlich wieder dabei 🙂

    Kerstin und Tobi während des Rennens Selfie im Ziel Kerstin und Tobi vor dem Thron Kerstin und Tobi im Zug Kerstin beim Ausruhen im Ziel hart am Limit gut gelaunt starten wir das Rennen endlich im Ziel Daumen hochDas Besucherbergwerk im Hintergrund

     

  • Erstes Tandemrennen des Jahres: Der Erbeskopf-Marathon 2018

    Erstes Tandemrennen des Jahres: Der Erbeskopf-Marathon 2018

    Am Sonntag, dem 08.07.2018, stand für mich das erste Radrennen der Saison auf dem Programm – und nicht nur das: Es war zudem der erste Wettkampf mit meinem eigenen Tandem!

    Mit dem Tandem im Gepäck fuhren mein sehender Tandempilot Tobias Wolfsteiner, mit dem ich jede meiner bisherigen Rennteilnahmen bestritten hatte, und ich mit dem Auto nach Thalfang, einem kleinen Ort im Hunsrück in Rheinland-Pfalz. Dort angekommen, holten wir die Startunterlagen ab, zogen unsere Rennklamotten, bestehend aus einer Radhose und einem Radtrikot, an, checkten unsere Werkzeugbox sowie unsere Energienahrungs- und Getränkevorräte auf Vollständigkeit ab, begutachteten auf einem Streckenplan den Streckenverlauf und das Höhenprofil, luden das Tandem aus, befestigten die Startnummer daran, wärmten uns auf und platzierten uns rund zehn Minuten vor Wettkampfbeginn in der Startaufstellung. Dort trafen wir zufälligerweise das einzige weitere Tandem, welches in unserer Wettkampfklasse startete – und um Punkt 12.00 Uhr hallte der Startschuss über das Gelände.

    Rund 240 Fahrerinnen und Fahrer, die alle in unserer Wettkampfklasse starteten, mussten sich nun sortieren, wobei für uns nur das andere Tandem eine richtige Konkurrenz darstellte – und da kamen wir beim Start schon mal besser weg. Doch schon bald kamen wir an unsere Grenzen: Der Erbeskopf-Marathon, so hieß dieses Rennen, war ein Mountainbike-Rennen – und obwohl die Strecke explizit für Senioren und Jugendliche bzw. Einsteiger ausgeschrieben war, war der Kurs meines Erachtens wesentlich härter als der Odenwald Bike Marathon. Es war zwar diesmal trocken, sodass wir zumindest auf eine Schlammschlacht verzichten konnten, allerdings erwies sich das Gelände als sehr uneben mit Ästen, Wurzeln und Steinen. Ein Unterschied zum Odenwald Bike Marathon war vor allem die Tatsache, dass wir diesmal mehrfach schieben mussten. Das lag weder an der Tauglichkeit des Tandems noch an unserem Training, sondern an den Besonderheiten, die ein Tandem von Natur aus hat: Man kann nun mal keine enge 180-Grad-Kurve fahren, weil ein Tandem aufgrund seiner Länge einfach einen zu großen Wendekreis hat, und an einer besonders steilen Stelle war unser Tandem, welches ja schon von Natur aus schwerer als ein normales Mountainbike ist, mit zwei Personen darauf einfach zu schwer zum Bergauf-Fahren. Auch relativ zu Beginn, als eine ebenfalls ziemlich enge, steile und unebene Bergauffahrt bevorstand und wir noch von anderen Rädern umgeben waren, schoben wir lieber, denn beim Bergauf-Fahren ist man mit dem Tandem aufgrund des größeren Gewichts langsamer als mit dem einfachen Mountainbike und da uns das klar war, umgingen wir so gleich allen Überholmanövern. Doch das war nicht die einzige Strapaze: Plötzlich tauchte das zweite Tandem neben uns auf. Wir zogen das Tempo an und versuchten nun mit aller Kraft, dranzubleiben – doch nach einer Weile zeichnete sich ab, dass die anderen stärker waren. Vermutlich hing das plötzliche Aufkreuzen der Konkurrenz auch damit zusammen, dass es beim Schieben auf unwegsamem Gelände einen großen Unterschied macht, ob man den Weg noch sehen kann oder nicht, denn wenn nicht, braucht man ja viel mehr Anweisungen und ist allein dadurch schon ein Stück langsamer.

    Das zweite Tandem war zwar weg, trotzdem sollte es keine Kaffeefahrt werden. Im Laufe der Strecke gab es zwei Berge, wobei der zweite von ihnen der Erbeskopf, der regional bekannt ist und dem Erbeskopf-Marathon seinen Namen gibt, war. Wir mobilisierten kräftemäßig alles, was wir hatten und die Anfeuerungsrufe der Zuschauer am Wegesrand spornten uns nur noch mehr an. Zwischendurch konnten wir immer wieder bei Abfahrten oder Ebenen verschnaufen, trotzdem atmeten wir erleichtert auf, als wir den Aussichtsturm des Erbeskopfs erblickten.

    Kurz vor dem Ziel wurde es nochmal richtig aufregend: Auf dem letzten Kilometer sprang uns plötzlich die Kette runter und wir mussten einen kurzen Stopp einlegen, um die Sache zu beheben. Wenige Meter später sollte uns ein Problem, welches schon während des ganzen Rennens Bestand hatte, zum Verhängnis werden: Der zweite Gang funktionierte nicht zuverlässig. Das sorgte dafür, dass wir beim letzten, kurzen Anstieg einen zu schweren Gang hatten und nicht weiterkamen. Dafür erwartete uns im gleichen Moment eine Überraschung, die zumindest ich mit großer Freude wahrnahm: Die Besatzung des anderen Tandems stand genau an diesem Punkt der Strecke und erwartete uns und schob uns sogar samt Tandem über den Berg (wobei wir natürlich unser Bestes taten, um mitzuhelfen) – keine 20 Meter später, im Ziel, waren sie die ersten, die uns gratulierten. Es war schön zu sehen, wie freundschaftlich und fair Konkurrenten miteinander umgehen können bzw. dass die direkte Konkurrenz in einer schwierigen Situation für uns da war und uns assistierte, damit auch wir ins Ziel kamen. Zwar hätten wir es mit ziemlicher Sicherheit auch ohne sie geschafft, dennoch war dies eine extrem faire und großzügige Geste, die Respekt verdient hat.

    So sind wir also glücklich im Ziel aufgetaucht. Als Dankeschön haben wir vom Veranstalter noch Radtrikots geschenkt bekommen – an dieser Stelle nochmal vielen Dank dafür! – und konnten uns mit Getränken abkühlen. Diesmal blieben wir aus Zeitgründen nicht mehr bis zur Siegerehrung, sondern verluden schon nach wenigen Minuten unser Tandem im Auto und machten uns auf den Heimweg.

    Wie in diesem Bericht deutlich wurde, war das Rennen mit vielen Herausforderungen verbunden, jedoch habe ich einmal mehr gemerkt, wie sehr ich mich auf meinen sehenden Tandempartner verlassen kann, was ja gerade bei MTB-Rennen aufgrund der Blindheit sowie der Streckenverhältnisse elementar ist. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich glaube, wenn wir nächstes Jahr wieder mitfahren und die Strecke dann schon kennen, wird es noch besser.

    • 37 km Distanz
    • 830 Höhenmeter
    • 2:27:51 h Fahrzeit
    • 15,01 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
    • 52,5 km/h Höchstgeschwindigkeit
    • 2. Platz Tandemwertung
    • 200. Platz overall

     

    Kerstin vor dem rennbereitem Tandem

    Kerstin und Tobi nach dem Warmfahren

    Kerstin und Tobi glücklich nach dem Rennen mit den neuen Trikots

  • Achtung, Aufnahme!

    Achtung, Aufnahme!

    Wie einige ja bereits mitbekommen haben, war ich am Donnerstag, dem 4. Januar 2018, im Tonstudio. Heute möchte ich Euch davon erzählen.

    Als ich am Donnerstagnachmittag mit meinem Stage-Piano und meinem Eltern im Auto saß, war ich ziemlich aufgeregt. Wie würde es werden? Ich war zwar schon einmal mit meiner Schulklasse in einem Tonstudio gewesen, hatte dort aber nicht selbst aufgenommen. So war ich sehr gespannt.

    Am Ziel angekommen, musste ich mich erstmal etwas orientieren. In dem großen Raum, in den ich geführt wurde, gab es jede Menge Technik: Ein Mischpult, ein Computer und einiges mehr. Ebenfalls beeindruckend war die riesige Gitarrensammlung – da konnte man mindestens 15 Gitarren in den verschiedensten Ausführungen finden. Und nicht nur das: Auch ein Studio-Piano stand dort. Eigentlich wollte ich auf meinem eigenen Piano spielen, jedoch ließ sich dieses mit dem vorhandenen Anschluss nicht an die Anlage im Studio anschließen und deshalb spielte ich dann auf dem Studio-Piano. Nun war alles bereit. Das Piano war aufgebaut, die Technik gerichtet und Matthias, der Betreiber des Tonstudios, war auch soweit. Insgesamt standen drei Lieder auf dem Programm. Als erstes wurde immer das E-Piano eingespielt. Dabei spielte ich auf Klick, also mit einem Metronom, welches mir den Rhythmus vorgab. Das Einspielen des Pianos war recht unkompliziert, da wir eventuelle Fehler gut korrigieren konnten. Was Matthias mit der Aufnahme machen konnte, war schon beachtlich. Er konnte die einzelnen Töne auf dem Bildschirm sehen. Dabei spreche ich nicht von den Akkorden, sondern wirklich von den einzelnen Tönen. Er konnte jeden einzelnen Ton markieren und im Lied verschieben, ausschneiden und an einer anderen Stelle wieder einsetzen, die Lautstärke verändern und sogar die Tonhöhe anpassen. Hatte ich also versehentlich die falsche Taste erwischt, konnte er in wenigen Sekunden den entsprechenden Ton so korrigieren, dass der richtige Ton erklang. Gerade bei „music at the river“ hat diese Bearbeitung ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen. Ist es dann irgendwann vernünftig, ging es an den Gesang. Dafür gab es einen Raum mit schalldichten Wänden. Da das Gesangsmikrofon so empfindlich war, musste es exakt auf mich eingestellt werden. Besonders wichtig war, das Mikrofon während der Aufnahme nicht zu berühren, denn es reagierte auf jedes kleinste Geräusch. Um mich mit Matthias, der im Technikraum saß, verständigen zu können, trug ich Kopfhörer und sprach durch mein Mikrofon. So konnte er auch meine fertige Pianobegleitung einspielen. Das war am Anfang ganz schön ungewohnt, darauf zu singen. Das hörte sich irgendwie ungewöhnlich an, irgendwie qualitativ ungewöhnlich gut, ganz anders als die Aufnahme meines Diktiergeräts. Den einzigen Fehler, den ich gemacht habe, war, sich nicht einzusingen, denn so waren ein paar schräge Töne dabei. Dennoch haben wir den Gesang nicht bearbeitet. Deshalb klingt dieser sehr natürlich. Doch die Qualität ist einfach nur klasse. Auf diese Weise wurden, wie bereits erwähnt, drei Lieder aufgenommen. Es war eine sehr interessante Erfahrung, denn schließlich erlebt man sowas ja nicht alle Tage. Und damit Ihr Euch das Ergebnis auch anhören könnt, gibt es „Traum nach Freiheit“ als neues Lied bei den Downloads.

    Im Tonstudio - Kerstin am Piano

    Im Tonstudio - Kerstin hört Probe

    Im Tonstudio - Kerstin singt