Livestream anlässlich des Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Am 05.05. setzen Menschen mit und ohne Behinderung in ganz Europa jedes Jahr ein Zeichen für Gleichberechtigung und Toleranz. Gemeinsam machen sie auf Barrieren im Alltag aufmerksam und versuchen gleichzeitig, Vorurteile und mögliche Hemmschwellen gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen. Ich beteiligte mich in diesem Zusammenhang dieses Jahr am Livestream des Jugendbegegnungszentrums Karlsruhe.

 

Am Mittwoch, den 05.05.2021, bin ich auf etwa 17.30 Uhr zum Jubez gefahren. Bevor ich in den Saal, von dem aus der Stream übertragen werden sollte, durfte, musste ich einen Corona-Test machen, was zum Glück aber direkt vor Ort ging. Etwas später saß ich auf der Bühne und richtete mit dem Tontechniker E-Piano, Gesangsmikrofon und Ukulele so ein, dass ich alles gut hören konnte. Außerdem nutzte ich die Zeit, um mich etwas einzusingen und die Ukulele zu stimmen.

 

Je näher der Start des Streams rückte, desto mehr stieg die Spannung. Jetzt musste alles passen. Als Mitte April klar war, dass ich daran mitwirken würde, musste ich schnell feststellen, dass ich ziemlich aus der Übung war. Viele meiner Lieder hatte ich seit Monaten nicht mehr gespielt. Ich versuchte, die drei Wochen, die mir blieben, möglichst produktiv zu nutzen und mich in eine wenigstens einigermaßen akzeptable musikalische Form zurückzuholen, doch ob mir das gelungen war, konnte ich nicht so recht einschätzen. Auch die Erfahrung eines Auftritts per Livestream war für mich vollkommen neu. Bislang wusste ich immer, in welcher Richtung die Leute sitzen, wie viele ungefähr da sind, wie die Stimmung ist, hier wusste ich noch nicht einmal genau, was auf dem Handy- oder Computerbildschirm von mir zu sehen war. Auch die Kommunikation mit den Zuhörenden, die in gewöhnlichen Auftrittssituationen für mich essenziell ist, gestaltete sich hier ganz anders.

 

Nach einer kurzen Begrüßung gab man die Bühne für mich frei. Mein Programm bestand aus vier Liedern mit dem E-Piano und zwei Liedern mit der Ukulele. Zwischen den Liedern wurde ich über das Geschehen im Live-Chat informiert und konnte verbal entsprechend darauf eingehen. Ich war total überwältigt von so viel positiver Resonanz und freute mich darüber, auch die ein oder andere Frage im Zusammenhang mit meiner Blindheit beantworten zu können. Nach meinem Auftritt gab es auf der Bühne eine kleine Umbauphase, während der ich mich noch etwas mit dem Sprecher der Zwischenmoderation unterhielt, erst über den Auftritt, dann über digitale Barrierefreiheit und zuletzt darüber, dass Inklusion und Gleichberechtigung wunderbar verwirklicht werden können, wenn man nur offen aufeinander zugeht.

 

Auf der Bühne übernahmen Julie, Paul, Daniel, Malek und Maxime, die den Livestream komplettierten. Die fünf fanden sich bei einer Jam Session im „Cola Taxi Okay“ zusammen und musizierenen seither immer mal wieder (sofern es denn möglich ist) gemeinsam. Das „Cola Taxi Okay“ ist ein offener Kulturraum, der sich Weltoffenheit und die Integration von Menschen jeglicher Nationalität, z. B. Geflüchteter, zum Ziel gesetzt hat. Julie und Paul leiten außerdem eine inklusive Trommelgruppe im Jubez. Besonders an ihrer Musik war, dass – abgesehen von ein paar Grundharmonien, die vorab vereinbart wurden – alles spontan entstand: Der Text, die Melodie, die Länge und der Charakter des Liedes. Diese Magie des Entstehens aus dem Moment heraus beeindruckte mich und war ein gelungener Abschluss eines Livestreams mit klarer Botschaft: Wenn wir füreinander offen sind – egal wer wir sind, wo wir herkommen, ob wir eine Behinderung haben oder nicht – ist vieles möglich!

 

Der Livestream war eine völlig neue, durchaus aufregende und sehr spannende Erfahrung. Manches war wirklich ungewohnt, aber es hat mir viel Spaß gemacht und es war schön, mal wieder andere Musiker zu treffen und zwischendrin sogar etwas Zeit zu haben, um sich ein bisschen auszutauschen. Wie ich später in den Stream nochmal reinhörte, war ich begeistert von der mehr als gelungenen Abmischung und der Soundqualität. Natürlich hoffe ich, dass wir ganz bald wieder mit Präsenz-Publikum musizieren können – aber auch der virtuelle Weg war auf jeden Fall eine Erfahrung wert!