Seit inzwischen drei Jahren (eigentlich zwei Jahren + ein Jahr Corona-Zwangspause) tanze ich in einer Karlsruher Tanzschule – ein super Ausgleich zum Alltag, der funktioniert. Wie, erzähle ich Euch hier.
Aller Anfang ist spannend
Nachdem ich an der Tanz-AG in meinem letzten Schuljahr in der Blindenschule großen Gefallen gefunden hatte, war für mich schnell klar, dass ich einen richtigen Tanzkurs machen wollte. Natürlich stellte ich mir am Anfang einige Fragen: Hat man die Zeit und Geduld, mir die Bewegungen verbal zu beschreiben und mich bei Fehlern zu korrigieren? Kann ich mit dem vorgegebenen Tempo mithalten? Und lässt sich überhaupt jemand auf eine blinde Tanzpartnerin ein? Aber ich war entschlossen: Wenn ich als blinder Mensch in der „Sehendenwelt“ Anschluss finden will, muss ich von mir aus das Risiko eingehen eventuellen Vorurteilen mit meiner eigenen Selbstsicherheit entgegentreten. Also meldete ich mich an.
Zurechtfinden in einer großen Gruppe
Tatsächlich war es gar nicht so einfach für mich, mich zurechtzufinden. Die Paare formierten sich bei jedem Lied, manchmal sogar innerhalb eines Liedes neu und eine Gruppe von mehr als 50 Leuten macht es nahezu unmöglich, nur übers Gehör einen Überblick darüber zu bekommen, was gerade passiert – ohne meine Tanzlehrerin, die mich bei Partnerwechseln zuverlässig neu „verpartnerte“, wäre ich vermutlich völlig überfordert gewesen. Inzwischen bin ich in einer deutlich kleineren Kursgruppe und bin darüber sehr froh, da die Anzahl der Personen hier wesentlich überschaubarer ist und während der Erklärungen der Tanzlehrerin auch nicht mehr ständig geflüstert wird, was mich um ehrlich zu sein oft ziemlich gestresst hat. Zudem ist mein jetziger Kurs für feste Tanzpaare ausgelegt, sodass auch keine Partnerwechsel mehr stattfinden.
Besonderheiten durch die Blindheit
In meinem Tanzkurs habe ich den großen Vorteil, dass alle Tänze Paartänze sind. Dadurch tanzen sowieso alle durch die Tanzhaltung in direktem Körperkontakt mit dem Partner, wodurch ich die Bewegungen sehr gut erspüren kann. Im Gegensatz zu den Sehenden, die viel übers Abschauen von der Tanzlehrerin lernen, ist für mich das praktische Tun essenziell. Nur so kann ich wirklich erfassen, wie die Figur geführt wird und wie ich meine Schritte setzen muss. Es braucht also einen entsprechend geduldigen und verständnisvollen Tanzpartner – wobei das bislang mit allen gut funktioniert hat. Daneben orientiere ich mich sehr stark am Rhythmus der Musik, der mich insbesondere beim Lernen neuer Schrittfolgen sehr unterstützt.
Schwierig wird es bei Tänzen, die ohne Partner getanzt werden. In den ersten Kursen haben wir immer wieder sogenannte „Partytänze“ gelernt, bei denen ich dann mal gern schräg gedreht oder Bewegungen anders interpretiert habe, als sie tatsächlich waren. Außerdem war es hier immer problematisch, wenn ich mal rauskam, weil es entsprechend schwierig ist, wieder in eine Choreographie hineinzufinden, wenn man nicht sieht, wo die anderen gerade sind. Inzwischen werden im Kurs aber nur noch Paartänze getanzt, weshalb dieses Problem zumindest aktuell der Vergangenheit angehört.
Nie die Hoffnung verlieren
Teilweise war meine bisherige Tanz-Zeit ziemlich steinig. In den vergangenen 1 1/2 Jahren, in denen ich – erst aufgrund von Corona, dann aufgrund meines Kurses (ich habe zwischenzeitlich vom Jugendkurs in den Erwachsenenkurs gewechselt) – einen festen Tanzpartner brauchte, musste ich (nicht aufgrund meiner Blindheit – coronabedingt bzw. aus persönlichen Gründen) dreimal neue Tanzpartner suchen. In den Zeiten, in denen ich keinen festen Tanzpartner hatte (in zwei von drei Fällen war ich einige Wochen ohne Partner), bin ich – da die anderen natürlich auch als feste Paare getanzt haben – regelmäßig alleine stehen geblieben, was für mich natürlich äußerst ungünstig war, weil ich ja erstrecht das praktische Tun brauche, um neue Sachen zu lernen. Daraus resultierten ein Gefühl von Ausgeschlossenheit und die stetige Ungewissheit, ob ich noch weitertanzen kann oder unfreiwillig aufhören muss, weil ich niemanden habe, der mit mir weitermacht.
Wenn ich aber eines durch den Tanzkurs gelernt habe, dann, dass man die Hoffnung niemals aufgeben sollte, auch wenn es gerade schwierig ist. Meine Tanzlehrerin hat wirklich alles getan, was sie tun konnte, um mir eine gleichberechtigte Teilnahme im Kurs zu ermöglichen. Gleich zu Beginn hat sie mich gefragt, worauf sie bei ihren Ausführungen neuer Schritte achten muss. Wenn ich keinen Tanzpartner hatte, hat sie mit mir getanzt, damit ich den Anschluss nicht komplett verliere. Und nicht zuletzt hat sie einen großen Anteil daran, dass sich immer wieder Tanzpartner gefunden haben. So erfüllt es mich vor allem mit großer Dankbarkeit, dass ich Anfang Mai erfolgreich in den Goldstar 2-Kurs starten konnte – denn tanzen ist für Blinde ein wunderbarer Sport, wenn man ein offenes Umfeld hat, dass auf die sich daraus ergebenden Bedürfnisse eingeht, aber auch die Stärke eines sehr guten Gespürs zu schätzen weiß.