Immer wieder werde ich als Blinde mit Papieren in Schwarzschrift vor eine Herausforderung gestellt. Um mir diese zugänglich zu machen, nutze ich verschiedene Methoden. Meine „Arbeitsplatzmethode“, das Abfotografieren von Blättern mit Hilfe der Pearl Kamera, stelle ich Euch heute vor.
Die Kamera selbst
Die Pearl Kamera ist ein portables und kompaktes Kamerasystem, das sich in meinem Fall vor allem jetzt während der Ausbildung mit den vielen Wechseln der Abteilungen auszahlt. Zusammengeklappt passt die Kamera in jeden Rucksack und am neuen Ort angekommen, ist sie mit drei Handgriffen wieder aufgebaut. Es handelt sich dabei um eine Standkamera, unter die das Blatt gelegt werden kann. Dabei ist die „Anlegekante“ speziell für Blinde optimiert und dort, wo sich die Mitte des Blattes befinden sollte, mit einer Markierung versehen. Damit die Pearl Kamera funktioniert, benötigt sie ein Endgerät, üblicherweise einen Laptop, von dem aus die gesamte Steuerung inklusive aller Einstellungen sowie die Ausgabe des abfotografierten Textes stattfindet. Das dafür erforderliche USB-Kabel ist fest mit der Kamera verbunden, sodass man zumindest dieses Kabel nicht vergessen kann.
Openbook
Es gibt verschiedene Texterkennungs-Programme, die mit der Pearl Kamera kooperieren. Ich persönlich verwende „Openbook“. Das speziell für blinde Anwender entwickelte Programm stammt von der gleichen Firma wie die Kamera selbst, weshalb die beiden Komponenten sehr gut miteinander harmonieren. Über Openbook verwalte ich die Kameraeinstellungen, starte und koordiniere den Scanvorgang und bekomme den abfotografierten Text angezeigt, sodass ich ihn lesen oder in andere Programme, z. B. in Microsoft Word, kopieren kann. Zudem kann ich auch bereits digital vorhandene Dokumente, beispielsweise Fotos, in Openbook konvertieren und dadurch möglicherweise besser lesen. Openbook wertet den Text aus und wandelt ihn entsprechend um.
Kurzablauf eines Scanvorgangs
- Wenn nicht schon passiert, baue ich die Kamera auf, verbinde sie per USB-Kabel mit dem Laptop und verschaffe mir daneben Platz, um ein Blatt glatt auf dem Tisch ablegen zu können.
- Das Blatt, das ich scannen möchte, lege ich mit der kurzen Seite an der Anlegeschiene der Kamera an (siehe Foto). Der Markierungspunkt auf der Schiene hilft mir dabei.
- Anschließend starte ich Openbook, das meine Kamera idealerweise schon erkannt hat, auf meinem Laptop. Über den Laptop starte ich nun den Scanvorgang. Nach wenigen Sekunden macht die Kamera ein Foto des darunter liegenden Blattes, welches von Openbook erkannt und aufbereitet wird. Wenige weitere Sekunden später erscheint der Text, der auf dem Blatt steht, auf dem Laptopbildschirm.
Meine Schritt-für-Schritt-Anleitung für Blinde
Als ich kürzlich im Internet etwas nachschauen wollte, stellte ich fest, dass es kaum Informationen zur Pearl Kamera auf deutsch gibt, lediglich die englische Original-Bedienungsanleitung und einen Erfahrungsbericht eines anderen blinden Bloggers konnte ich finden. Deshalb habe ich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung geschrieben, die insbesondere auf die Grundlagen Kameraauf- und -abbau sowie das Einscannen einzelner Blätter mit Openbook eingeht. Sie dient daher insbesondere blinden Menschen sowie deren sehendem Umfeld als Orientierungshilfe, aber auch allen anderen Interessierten, die mehr über diese Möglichkeit der Texterkennung erfahren möchten. Die Anleitung findet Ihr hier: