Als Kind hatte ich CD’s, auf denen verschiedene Vogelarten behandelt wurden. Durch die Stimmenbeispiele konnte ich schon bald einige Vögel erkennen und meinen Eltern etwas über sie erzählen, wenn wir unterwegs waren. Wie ich dann allerdings älter wurde und die CD’s nicht mehr hörte, blieben mir nur einige wenige Vogelstimmen im Gedächtnis, die meisten verlernte ich – bis zu diesem Frühjahr.
Während des Corona-Lockdowns im Frühling entstand bei mir die Routine, jeden Tag einen Spaziergang zu machen. Nach zehn bis 15 Minuten Fußweg bin ich in schöner Natur mit vielen Bäumen, einem ruhigen Gewässer und gut ausgebauten Waldwegen. Oft nutzte ich diese Spaziergänge, um die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen und meine Umgebung bewusst zu beobachten. Inspiriert durch die vielen Eindrücke, die vor allem durch die Faszination für die verschiedenen Vogelstimmen, die ich hörte, geprägt waren, erinnerte ich mich an jene Zeit zurück und begann, die Vogelstimmen nochmal neu zuordnen zu lernen.
So habe ich im Laufe der Monate unsere gefiederten Schrebergartenbesucher oder die Vögel vor dem Fenster meines Büros mal etwas genauer unter die Lupe genommen. Besonders bereichernd waren und sind für mich die Beobachtungen, die ich mache, wenn ich mit dem Kanu auf dem Altrhein fahre. Zum einem hört sich vom Wasser aus alles nochmal anders an und ich kann teilweise durch naturbelassene Oasen paddeln, die ich zu Fuß gar nicht in dieser Perspektive erreichen würde, zum anderen ist die Artenvielfalt am Altrhein nochmal deutlich anders als das, was ich in dem von meinem Zuhause fußläufig erreichbaren Wald hören kann – und dennoch war es auch ein Erlebnis, eines Morgens vor Einbruch der Dämmerung aufzubrechen, um mir einen hautnahen Eindruck von dem natürlichen Konzertprogramm, aufgrund seiner schematischen Abfolge auch als „Vogeluhr“ bezeichnet, der Vögel zu verschaffen.
Jetzt, im Sommer, werden die meisten Arten leider eher still. Das liegt daran, dass insbesondere die Männchen den Gesang als Mittel nutzen, um Weibchen anzulocken und ihr Revier vor der Konkurrenz zu verteidigen. Im Sommer ist die Brutzeit dann vorbei und die Vögel singen wieder weniger. Deshalb wiederhole ich die Vogelstimmen nun noch mehr mit meinen Lerntools, die sich auch für Interessierte ohne Vorkenntnisse eignen. An dieser Stelle möchte ich Euch einige von ihnen vorstellen.
Hinweis: Alles, was ich im folgenden aufführe, hat keine kommerziellen Hintergründe, sonder sind persönliche Empfehlungen basierend auf meinen Erfahrungswerten.
In der kostenlosen App „40 Gartenvögel“ finden sich – wie der Name schon sagt – die 40 häufigsten Gartenvögel übersichtlich zusammengefasst mit einem Bild, einem kurzen Text und einem Tonbeispiel. Die App-Entwickler legen wert auf Barrierefreiheit und haben sich beispielsweise im letzten Update darauf fokussiert, die App für VoiceOver noch leichter bedienbar zu machen. Die gleichen Vogelstimmen und -arten wie bei „40 Gartenvögel“, nur mehr Infos in Textform findet man zudem hier:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/vogelportraets/index.html
Auch abgesehen von den 40 Vogelarten ist die Website des NABU für mich die erste Anlaufstelle, wenn ich mich mit den Vögeln beschäftigen möchte. Hier gibt es viele informative Artikel über Aussehen und Lebensweise der verschiedenen Arten, Inspirationen, wie man selbst für die Vögel aktiv werden kann, einen Vogeltrainer mnklusive Selbsttest und ein Vogelstimmen-Quiz. Die Inhalte sind gut aufbereitet und bis auf wenige Kleinigkeiten ist alles auch mit Screenreader gut nutzbar.
Ein deutlich größeres Vogelstimmenverzeichnis mit 308 verschiedenen Vogelarten findet man in der App „Vogelwelt“. Die Steckbriefe mit Informationen zu Größe, Erkennungsmerkmalen, Brutzeit u. a. kann man bereits in der kostenlosen Basis-Version lesen, Aufnahmen der Vogelstimmen, Fotos von den Eiern oder Videos, die eine Vogelbeobachtung aus der Nähe ermöglichen, kann man sich bei Bedarf einzeln oder als Gesamtpaket kaufen. Mit etwas Übung lässt sich auch diese App blind bedienen.
So, jetzt haben wir daheim gut gelernt, aber was, wenn uns dann im Wald plötzlich eine Vogesstimme zu Ohren kommt, die wir einfach nicht einordnen können? Vogelstimmen-Erkennungsapps findest Du im Appstore zu Hauf, bislang habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass da bei Hintergrundgezwitscher anderer Vögel schon einiges an Verwirrung und Unklarheit aufkam und/oder die App nicht barrierefrei ist. Hier kann es also durchaus schwierig werden. Die Bayern hatten da mit dem „Vogelphilipp“ mal eine super Lösung. Der Vogelphilipp ist ein Vogelexperte, dem man über Whatsapp eine Sprachnachricht mit der entsprechenden Vogelstimme schicken konnte und dann gesagt bekam, welcher Vogel das war. Häufig ist aber die einzige Möglichkeit, mit einem aufnahmefähigen Gerät die entsprechende Vogelstimme aufzunehmen, sie sich dann daheim wieder ins Gedächtnis zu rufen und dann sein Glück in einer Vogelstimmen-Übersicht zu versuchen.
Zu guter Letzt empfehle ich Euch noch dieses YouTube-Video:
Viele Vögel kann man nicht sehen, wenn sie durchs Gebüsch hopsen und in den Baumkronen umherfliegen, doch übers Gehör kann man sie möglicherweise trotzdem erkennen. Ich jedenfalls finde es eine spannende Sache. Jede Vogelart hat ihre ganz eigenen Gesänge und Warnrufe, die einem als blinde Person in ihrer Vielfalt wohl das prägendste akustische Merkmal des Frühlings sind. Durch die Auseinandersetzung mit den Vogelstimmen bin ich aufmerksamer geworden, wenn es um die Geräusche um mich herum geht – und inzwischen passiert es schon fast unterbewusst, dass ich jedes Zwitschern, das ich höre, zuzuordnen versuche.