Als Kind habe ich es geliebt, zu lesen und war ausgesprochen neugierig. Ich habe mir nicht nur immer viele Bücher ausgeliehen, sondern auch verschiedene Kinderzeitschriften und -kalender bezogen. Diese waren wissenswert und spannend und ich schenkte den Beiträgen meine ganze Aufmerksamkeit, stets bestrebt, alles genau zu verstehen und mir zu merken. Mir fiel aber auch auf, dass sich insbesondere die hauseigene Kinderzeitschrift der Blindenbibliothek aus Artikeln verschiedenster anderer Kinderzeitschriften und Internetseiten zusammensetzte – und das brachte mich auf eine Idee: Wenn Zeitschriftenmachen offensichtlich so einfach ist, dann kann ich das doch bestimmt auch, oder nicht?
Ende November 2013 suchte ich alle Weihnachtsausgaben von Jahres- und Adventskalendern, Kinderzeitschriften und Geschichtenbüchern zusammen, die ich finden konnte. Was mir am besten gefiel, tippte ich in ein Word-Dokument ab, Wort für Wort. Das war im Nachhinein betrachtet wahnsinnig viel Aufwand, aber damals tat ich es einfach, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Die Quellen gab ich genauso an, wie ich es aus den Zeitschriften gelernt hatte. Zum Schluss bildete ich aus den abgetippten Artikeln fünf Artikelbündel. Da die Artikel in den Kinderzeitschriften immer sehr bunt durchmischt waren (erst was Wissenswertes, dann eine Geschichte, dahinter ein Rezept…), sollte das bei mir genauso sein. Jedes dieser fünf Bündel bekam einen passenden Namen, wie z. B. „Brrr, kalt!“ oder „Lasst uns froh und munter sein“ und wurde bestimmten Tagen zugeordnet, das erste Bündel galt dem 1. Advent, die nächsten drei dem 2., 3. Und 4. Advent und das letzte dem heiligen Abend. Und damit diese Bündel auch zu einer richtigen Zeitschrift wurden, brauchte ich natürlich noch Abonnenten, die sie lesen. Dafür suchte ich einfach alle Mailkontakte zusammen und verschickte das jeweilige Bündel am entsprechenden Tag in einer Textnachricht in meinem Bekanntenkreis herum – fertig war meine eigene Zeitschrift.
Dass ich mit dieser kleinen Kinderidee etwas durchaus Großes lostreten würde, konnte ich damaals nicht ahnen. Obwohl (oder vielleicht gerade weil) ich meine Kontakte noch nicht einmal vorab gefragt hatte, ob sie meine Zeitschrift überhaupt haben wollten, sondern sie sie einfach bekamen, waren die Rückmeldungen durchweg positiv. Und was denkt man dann als Kind? Oh, das war ja erfolgreich! Na dann gleich nochmal!
Dann bekam ich mein erstes Handy und die Korrespondenz mit meinem Umfeld verlagerte sich allmählich von den E-Mails auf SMS und Whatsapp-Chats. 2015 gab es deshalb die Adventszeitschrift erstmals neben dem bekannten E-Mail-Format auch als Audiofassung. Stunden und Tage verbrachte ich damit, die für die E-Mails abgetippten Artikel für die Audio-Ausgabe einzulesen und umgekehrt Inhalte, die nur im Audio-Format vorkamen (Zwischenansagen, Lieder und eine weihnachtliche Erkundungstour durch unser Haus) zusammengefasst oder wortwörtlich in die Text-Version einzugliedern. Es sollte das einzige Jahr mit Text und Audio bleiben und das letzte Jahr sein, in dem der Mailverteiler zum Einsatz kam.
Seit 2016 – mit Ausnahme von 2017 – gibt es die Adventszeitschrift nur noch als Audio-Dateien, die ich über einen Whatsapp-Verteiler versende. 2017 erschien sie über meine Website in Form der vierteiligen Geschichte „Wie Weihnachten Kinder erwachsen macht“, in der ich neben der Freude am Weihnachtstag auch viele für mich zum damaligen Zeitpunkt präsente Themen wie Außenwirkung, Eigenständigkeit und soziales Engagement verarbeitete.
Jedes Jahr sage ich mir, dass es diesmal wirklich die letzte Auflage ist. Seit dem Umstieg auf Audio arbeite ich nicht mehr mit bereits vorhandenen Artikeln, sondern bestimme die Themen komplett selbst, von der Entwicklung der Grundfrage über das Sammeln geeigneter Quellen, die Recherche und das Aufbereiten der Inhalte bis hin zum Aufnehmen. Am Heiligabend hat es sich etabliert, dass ich Gastbeiträge meiner Hörer*innen (z. B. Lieder oder Gedichte) einbinde, da kommt dann noch ein Haufen Audiobearbeitung hinzu (wobei mir mein Vater hier netterweise unterstützend zur Seite steht). Kurz gesagt: Dahinter steckt durchaus Arbeit. Gleichzeitig kommt aber unheimlich viel Freude seitens meiner Hörerschaft zurück und ich kann mir sicher sein, dass im nächsten November mehr als einmal die Frage „Machst Du wieder Adventszeitschrift?“ kommt. Durch die Befassung mit ganz unterschiedlichen Themen (z. B.: Wer war der Nikolaus/die heilige Lucia? Wie feiert man Weihnachten anderen Ländern? Wer erfand den Adventskranz? Wie wird eigentlich Marzipan hergestellt? Und vieles, vieles mehr) lerne ich selbst Jahr für Jahr einen ganzen Haufen neues dazu. Ich bin komplett frei in der Ausgestaltung und kann so richtig kreativ werden, gleichzeitig kann ich Impulse setzen, durch die ich meine Hörer*innen aktiv einbeziehe und zum Einbringen eigener Beiträge und Ideen animiere, wodurch ein direkter Austausch und das Schaffen eines gemeinsamen Werkes möglich wird. Ich kann meine Freude am Musizieren und Sprechen voll ausleben, habe Spaß daran, Weihnachtsgeschichten vorzulesen oder weihnachtliche Rezepte zu teilen, von ganz persönlichen Erlebnissen während der Weihnachtszeit zu erzählen oder Weihnachtslieder zu singen. Und so habe ich mich dann doch immer wieder überzeugen lassen, es nochmal zu machen.
Dieses Jahr erschien die Adventszeitschrift in zehnter Auflage. Ob sie auch nächstes Jahr wieder erscheinen wird, wird meine dann gegenwärtige Lebenssituation zeigen. Eins ist in jedem Fall sicher: In vorweihnachtliche Stimmung kommt man damit allemal – und Kultstatus hat sie jetzt schon.