Diesmal hatte ich etwas ganz besonderes vor: Einen Rundflug. Es war mein erster Flug überhaupt, weswegen ich ziemlich aufgeregt war. Dennoch war ich erstaunlich ruhig, als ich am Montag, den 02.10.2017, um 16.00 Uhr am Flugplatz in Worms ankam. Dort wartete schon ein Pilot, der Kleinflugzeuge fliegt, auf mich.
Wir gingen gemeinsam in die Flughalle. Dort standen viele verschiedene Kleinflugzeuge. Der Pilot führte mich zu dem Flugzeug, mit dem wir fliegen wollten. Ich durfte alles anfassen und erkunden. Die Flügel sind ganz schön lang! Im Inneren des Flugzeugs durfte ich als Kopilotin mitfliegen. In diesem Zusammenhang durfte ich auch das Steuerrad anschauen. Da das Steuerrad des Piloten mit meinem Steuerrad verbunden war, konnte ich immer genau spüren, was der Pilot gerade machte. Bewegte er den Hebel vor und zurück, stiegen oder sanken wir. Bewegte er den Hebel nach rechts und links, bewegte sich auch das Flugzeug in diese Richtung. Es war eine sehr spannende Erfahrung, mal genau spüren zu können, wie das Flugzeug schon auf kleinste Bewegungen des Piloten reagiert.
Und dann ging es los. Jetzt wurde ich doch etwas nervös. Langsam rollten wir auf die 800 Meter lange Startbahn. Gut ein Drittel der Startbahn braucht es bis zum Abheben des Flugzeugs. Dieses hat dann etwa eine Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern. Das fand ich interessant, denn 120 Stundenkilometer erreicht man ja auch mit dem Auto auf der Autobahn (insofern kein Stau ist). Zur Eingewöhnung flogen wir eine Runde um den Flugplatz. Danach mussten wir den Flug leider abbrechen, da man aufgrund von Nebel nicht mehr genug sehen konnte, um fliegen zu können. Schade, aber es gab eine neue Chance. Und ganz davon abgesehen übten wir dadurch auch gleich die Landung. Ein bisschen hart war die Ankunft auf dem Boden durchaus, aber sie war laut Aussage des Piloten wohl deutlich sanfter als bei großen Flugzeugen. Dort gibt es nämlich, so erklärte man mir, eine bestimmte Stelle an der Landebahn, an der sie den Boden erreichen müssen, da sie so viel Strecke brauchen, um zum Stehen zu kommen. Ich überlegte, wie sich eine Landung im großen Flugzeug wohl anfühlt. Vielleicht würde ich das früher oder später auch noch erfahren. Bevor es aber soweit kam, gab es erstmal den zweiten Flugversuch.
So trafen wir uns am nächsten Tag wieder am Flugplatz in Worms. Da ohnehin Feiertag war, gestaltete sich das als äußerst unproblematisch. Das Wetter spielte diesmal deutlich besser mit als gestern. Die Sonne schien und es war angenehm warm. So stiegen wir diesmal relativ zügig ins Flugzeug und flogen los. Wir flogen nach Rothenburg an der Tauber, eine bayerische Stadt (wenn auch nahe an der Grenze zu Baden-Württemberg), und was ziemlich verrückt klingt, schafften wir mit dem Flugzeug in wenger als einer Stunde. Dabei flogen wir über Neckar und Rhein und in rasanten Kurven durchs Neckartal. Während die Kurven bei großen Flugzeugen recht sanft geflogen werden, spürt man die Kurven im Kleinflugzeug sehr deutlich. Allgemein kann man mit einem Kleinflugzeug deutlich mehr experimentieren. Mit unserem einmotorigen Flugzeug mit vier Sitzplätzen konnten wir zum Beispiel das Gefühl einer Achterbahnfahrt nachstellen, indem wir steil nach unten sanken und dann wieder steil nach oben stiegen. Ich fand es faszinierend, wie man mit der Luft spielen konnte und dass man sich in der Luft so frei bewegen konnte. Auch war es faszinierend, das Wetter zu beobachten. Während in Worms die Sonne schien, gab es im Verlauf des Flugs immer mehr Wolken und in Rothenburg regnete es.
In Rothenburg gingen wir Pizza essen. Die Pizzeria war direkt am Flugplatz. So landeten wir fast direkt vor der Tür. Da wir natürlich nicht auf der Landebahn stehen bleiben konnten, rollten wir auf einen speziellen Parkplatz für Flugzeuge. Weil jede Start- und Landebahn etwas anders aussieht, hatte der Pilot eine Art Lexikon, in dem alle Start- und Landebahnen mit Bildern und Beschreibungen aufgelistet waren. Schon lustig, wenn man zum Essen einfach mal schnell nach Rothenburg fliegt. Auf dem Rückweg fiel mir dann noch etwas anderes ganz bewuist auf: Der Funk. Als Passagier eines großen Flugzeugs kriegt man davon in der Regel nichts mit, doch über das Headset, welches jeder von uns aufgrund der Lautstärke des Motors etc. trug, bekam ich alles mit. Während unseres Flugs mussten wir mehrmals die Frequenz wechseln. Zuerst standen wir in Kommunikation mit dem Funknetz am Flugplatz in Rothenburg. Bevor wir starteten, mussten wir darüber informieren, dass wir starten wollten. Die Person am anderen Ende des Funks, die über Bildschirme den ganzen Flugplatz im Blick hatte, sagte uns dann, ob wir starten konnten oder ob noch ein anderes Flugzeug auf der Bahn war. Nach dem Start mussten wir dann bescheid geben, dass wir die Startbahn verlassen hatten, und schalteten im Anschluss auf ein zentrales Funknetz um. Hier wurde der Luftraum eines großen Gebiets beobachtet. So wurde man immer darauf hingewiesen, wenn andere Flugzeuge oder Fallschirmspringer in der Nähe waren. Dabei interessierten uns große Flugzeuge nicht, da diese deutlich höher flofen als wir. Interessant war, dass wir nicht nur an uns gerichtete Informationen, sondern auch die Informationen, die anderen Flugzeugen galten, mithören konnten. Tatsächlich begegneten uns auf dem Weg ein weiteres Kleinflugzeug und ein paar Fallschirmspringer. Je nach dem, wie weit man fliegt, muss man zwischendurch nochmal die Frequenz umschalten, denn auch die zentraleren Funkstellen beobachten nur einen bestimmten Umkreis. Kurz vor der Landung mussten wir dann wieder auf den regionalen Flugplatzfunk umschalten. Da galt dann wieder die gleiche Prozedur: Erst fragen, ob die Bahn frei ist, dann landen und wieder bescheid geben, wenn wir die Bahn verlassen hatten. Damit auch jedes Flugzeug klar identifiziert werden kann und alle Beteiligten wissen, um wen und was es sich handelt, hat jedes Fluggerät einen Namen. So hieß unser Flugzeug zum Beispiel „Romeo Kilo“.
Nachdem wir gelandet waren, rollten wir direkt zur Flugzeug-Tankstelle. Wie auch beim Auto kann man den Motor öffnen und neuen Treibstoff einfüllen. Ich war erstaunt, wie leicht und schnell sich das alles gestaltete. Bevor es für mich wieder nach Hause ging, konnte ich mich noch mit einem Piloten, der große Passagierflugzeuge fliegt, unterhalten. Das war sehr spannend! Viermal im Monat macht er einen Langstreckenflug. Dabei fliegt er beispielsweise nach Tokio (etwa elf Stunden Flugzeit) oder nach Buenos Aires (etwa 13 Stunden Flugzeit). Ich durfte auch ein zweimotoriges Flugzeug anschauen. Das war gleich deutlich größer als die kleine „Romeo Kilo“.
Ich freue mich schon darauf, wenn ich mal ein großes Flugzeug anschauen kann. Es ist wirklich interessant, mal alles anfassen und hinter die Kulissen schauen zu dürfen, damit ich mir auch als Blinde etwas darunter vorstellen kann. Es war ein aufregendes und sehr spannendes Erlebnis – tja, eine blinde Kopilotin gibt es schließlich auch nicht alle Tage!